Bruderzwist in der Neuen Rechten
Der rechte Blogger David Berger liegt im Clinch mit dem noch rechteren Verleger Götz Kubitschek. Die gegenseitigen Vorwürfe lauten: Antisemitismus und Islamophobie. Das klingt skurril, ist aber kein Einzelfall.
Es gibt Streit im „Mosaik“. Mit dem Konzept einer „Mosaikrechten“ verfolgen neurechte Akteure das Ziel, „eine Rechte zu schaffen, in der viele Rechte Platz haben“ (Benedikt Kaiser) – also ein Sammelbecken, das von Konservativen bis Rechtsextremen all jene eint, die in den Jahren seit 2015 im Zuge der „Flüchtlingskrise“ auf die Straße oder an die Wahlurne getrieben wurden. Nun aber bröckelt das rechte Mosaik. „Bringt es etwas, mit Leuten zusammen zu kämpfen, die ganz andere Ziele haben?“, fragte unlängst David Berger, Betreiber des Blogs Philosophia Perennis. Eine Antwort kam prompt: Jonathan Rudolph, Aktivist der Identitären Bewegung, schrieb auf Twitter, Berger habe „zur Genüge bewiesen“, dass „er nicht ins Mosaik gehört und nie gehört hat“.
Was war passiert? Der Ursprung der Fehde liegt einige Monate zurück und soll hier nicht en détail nachgezeichnet werden, eine lesenswerte Zusammenfassung findet sich bei Belltower News. Nur so viel: Nach einem längeren Schlagabtausch zwischen David Berger und Götz Kubitschek (Verlag Antaios, Sezession, Institut für Staatspolitik in Schnellroda), in dessen Verlauf Berger das Schnellroda-Umfeld als „intellektuell parfümierte Nazis“ bezeichnete, verlor Kubitschek die Geduld und attestierte Berger „pauschalen Islamhaß“. Vor wenigen Tagen nun legte Berger nach. Den Auftritt von Alice Weidel in Schnellroda nahm der Blogger zum Anlass, erneut gegen Kubitschek und Co. zu schießen. Die Sezession, so Berger, entwickele sich „in der letzten Zeit immer mehr zu einem Blatt von antisemitischen und geschichtsrevisionistischen Islam-Liebhaber [sic]“. Als Beleg führte Berger einen Artikel an, der unlängst auf Gegneranalyse erschienen ist.
Wenn Rechte sich gegenseitig pauschalen Islamhass und Antisemitismus vorwerfen, mutet das skurril an. Dabei handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall. In der politischen Rechten gibt es massive Auseinandersetzungen um die richtige ideologische wie strategische „Feindbestimmung“, um das Verhältnis zum Islam und zum Judentum, aber auch zu Israel und zum Antisemitismus.
In der deutschen Rechten gibt es beim Thema Antisemitismus, vereinfacht gesagt, zwei Lager: Einerseits jene, die nicht müde werden, den Antisemitismus zu verurteilen und sich mit Israel solidarisch zu erklären. Indem Israel „die Rolle eines Frontstaats in dem als weltgeschichtlich apostrophierten Kampf des christlich-jüdischen Abendlandes gegen den Islam zugeschrieben wird“ [1], fungiert der jüdische Staat als Projektionsfläche, als politischer Sehnsuchtsort für einen restriktiveren Umgang mit Einwanderung und eine klaren Kante gegen islamischen Terrorismus. Eine solche Form der Israelsolidarität ist höchst instrumentell und sagt wenig über eine tatsächliche Abkehr vom Antisemitismus aus.
Diese Kreise werden nicht müde, die Werte des „christlich-jüdischen Abendlandes“ gegen die Gefahr einer „Islamisierung“ hochzuhalten. Zu dem Milieu gehören AktivistInnen wie Michael Stürzenberger und Heidi Mund, die den Koran gerne mal mit Hitlers „Mein Kampf“ vergleichen, Blogs wie Politically Incorrect (PI-News) und Teile der AfD, allen voran die „Juden in der AfD“. Sie lassen keine Gelegenheit aus, den real vorhandenen muslimischen Antisemitismus zu problematisieren, um daraus eine pauschalisierende Islamkritik abzuleiten, die schließlich als Argument gegen eine liberale Einwanderungspolitik in Stellung gebracht wird.
Dieses extrem muslimfeindliche Milieu wird in der Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten oft überschätzt, was zu der fatalen Fehleinschätzung in nicht unbedeutenden Teilen von Wissenschaft und Zivilgesellschaft geführt hat, dass der Antisemitismus durch die Feindschaft gegen Muslime ersetzt worden sei, oder, noch fataler: dass Muslime die „neuen Juden“ seien.
Auf der anderen Seite steht das Lager, das aus seinem Antisemitismus keinen Hehl macht oder sich nur wenig Mühe gibt, ihn zu kaschieren. Dazu gehören etwa Neonazis der Kleinstpartei „Die Rechte“, die in der Vergangenheit mit Parolen wie „Wer Deutschland liebt, ist Antisemit“ und Plakaten mit der Aufschrift „Israel ist unser Unglück“ von sich Reden machten. Aber auch relevante Teile der Neuen Rechten, insbesondere das Schnellroda-Umfeld und das Magazin Compact sowie Teile der AfD, allen voran Mitglieder des Flügels, sind diesem Lager zuzurechnen. Mit dem Begriff des „christlich-jüdischen Abendlandes“ könne er nichts anfangen, sagte Björn Höcke einst bei einer Veranstaltung der AfD-Jugend: „Christentum und Judentum stellen einen Antagonismus dar.“
Wo diese unterschiedlichen Gruppen in einer „Mosaikrechten“ zusammentreffen, bleiben Konflikte nicht aus. Bei Pegida und auf anderen rechten Veranstaltungen waren vereinzelt auch Israelflaggen zu sehen. Das trifft auf Wohlwollen bei Aktivisten wie David Berger. Auf einer rechtsextremen Kundgebung gegen den „Migrationspakt“ am 01. Dezember 2018 in Berlin adressierte er in seiner Rede explizit den jüdischen Staat: „Ihr seid unsere Mitstreiter, wenn es um Demokratie und Rechtstaat und gegen die Islamisierung geht!“
Andere können damit wenig anfangen. Nachdem Geert Wilders, der bekannte niederländische Rechtspopulist von der „Partei für die Freiheit“, Anfang 2015 bei Pegida in Dresden auftrat, beschwerte sich Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer öffentlich über dessen „Israel-Lobhudelei“. Das sei aber kein Grund, Pegida den Rücken zu kehren: „Der Kampf zur Zurückdrängung amerikanistischer oder zionistischer Einflüsse muss innerhalb der Pegida-Bewegung geführt werden, nicht durch Verabschiedung von Pegida.“
Eine ähnliche Auseinandersetzung um Israelflaggen fand etwa zur selben Zeit in Frankfurt am Main statt. Die christliche Fundamentalistin Heidi Mund versuchte sich mit mäßigem Erfolg an der Etablierung eines lokalen Pegida-Ablegers. Israelflaggen waren auf jeder der wöchentlichen Kundgebungen zu sehen, einmal war zudem ein Redner aus Israel zu Gast. Dass sich auch der Landesvorsitzende der hessischen NPD an der Kundgebung beteiligte, störte vor Ort niemanden, wohl aber dessen Frankfurter Parteikollegen, der kritisierte, dass sich „führende hessische NPD-Kader an Veranstaltungen beteiligen, die von ihrer politischen Ausrichtung her ganz klar eine einseitige Parteinahme zugunsten Israels erkennen lassen“ und daraufhin für diese öffentliche Schelte vom Landesvorstand mit einem Maulkorberlass bedacht wurde.
Andere Neonazis, wie Nikolai Nerling, setzen andere Prioritäten. Der ehemalige Berliner Grundschullehrer hat sich als Youtuber mit dem Namen „Volkslehrer“ in der rechtsextremen Szene einen Namen gemacht. Ein Video zeigt ihn in einer verbalen Auseinandersetzung mit dem „Islamkritiker“ Michael Stürzenberger nach einer rechten Kundgebung in Oberbayern. Stürzenberger manipuliere, sagt Nerling, er sei ein „Desinformant“. Wer nicht wahrhaben wolle, dass Geheimdienste hinter den Anschlägen vom 11. September stünden sei „entweder selbst vom Geheimdienst oder nicht so klug“. Dann gibt Nerling Stürzenberger noch einen Rat mit auf den Weg: „Spar dir den Quatsch, auf den Islam zu schimpfen!“
Für „Islamkritiker“ wie Stürzenberger sind islamistische Anschläge Wasser auf ihre Mühlen. Sie sehen darin den Beleg dafür, dass der Islam eine kriegerische Religion sei und deshalb in den westlichen Demokratien nichts zu suchen habe. Entsprechend wird jeder Akt des islamischen Terrorismus für die eigenen Zwecke instrumentalisiert. Andere Rechte, wie Martin Lichtmesz aus dem Schnellroda-Umfeld, sehen das anders. Über die Anschläge vom 11. September in New York schreibt er: „Die USA, das war für mich damals der nahezu allmächtige globalistische Krake, dem heimgezahlt wurde, was er selbst tausendfach gesät hatte, die Türme des WTC die Tempel der Hochfinanz und des imperialkapitalistischen Babylons, das endlich zu wanken begann.“ Und weiter: „Und als es das Pentagon erwischte, legte ich eine Platte auf: ‚We don’t need no water, let the motherfucker burn…‘“ Veröffentlicht wurde diese Häme auf dem Blog der Sezession.
Die Konflikte sind also real, die Glaubhaftigkeit der Distanzierungen dagegen fragwürdig. Fotos belegen, dass auch PI-News-Autor Wolfgang Hübner während Weidels Besuch in Schnellroda zu Gast war. Wie passt es zusammen, dass der Stammautor eines Blogs, der sich selbst als „proamerikanisch und proisraelisch“ bezeichnet, in einem Umfeld verkehrt, das die islamistischen Anschläge vom 11. September kaum verhohlen bejubelt? Was sagt es über die rechte „Israelsolidarität“ aus, wenn Teilnehmer einer PI-News-Leserreise nach Israel im Jahr 2016 während eines Besuchs der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem den Holocaust leugnen? Und was dachte sich jener David Berger, der sich nun als Kämpfer gegen den Antisemitismus im Schnellroda-Umfeld stilisiert, als er auf einer Kundgebung sprach, an der sich auch Aktivisten der Identitären Bewegung und prominente Vertreter des AfD-Flügels beteiligten und bei der von „Globalisten“ geraunt wurde?
Beispiele wie diese zeigen, wie brüchig das Bekenntnis gegen Antisemitismus in der Regel ist. Es sind häufig eher strategische denn ideologische Erwägungen im Spiel, wenn sich Rechte gegenseitig Antisemitismus oder „Islamophobie“ vorwerfen, in vielen Fällen mag es sich auch um die instrumentelle politische Aufladung von Befindlichkeiten oder persönlichen Konflikten handeln. Relevante Teile einer Rechten, die ohne Antisemitismus und pauschalen Islamhass auskommen, sind jedenfalls nicht ersichtlich. „Die ganze Auseinandersetzung ist peinlich und unnötig“, schrieb das neurechte Hipster-Magazin Arcadi zur Fehde zwischen Berger und Kubitschek. Man ist versucht, ihnen zuzustimmen.
Literatur
[1] Marc Grimm/Bodo Kahmann: AfD und Judenbild. Eine Partei im Spannungsfeld von Antisemitismus, Schuldabwehr und instrumenteller Israelsolidarität. In: Stephan Grigat (Hg.): AfD & FPÖ. Antisemitismus, völkischer Nationalismus und Geschlechterbilder. Baden-Baden 2017, S. 52.