Botho Strauß
Tragischer Verrat an der Freiheit
von Thomas Assheuer
Aus Sicht der rechtsintellektuellen Szene in Deutschland ist der Schriftsteller Botho Strauß ein wahrer Glücksfall. Für sie ist er nicht nur ein spiritus rector, sondern zugleich ein Scharnier ins bürgerliche Lager, ein Trojanisches Pferd für den Ideentransfer in die Zitadelle des liberalen Kulturbetriebsbürgertums. (1) Zu Recht zehrt Strauß vom Ruhm der frühen Jahre, und die Esoterik seiner Formulierungskunst garantiert ihm anhaltende Aufmerksamkeit im distinktionsgetriebenen Kulturbetrieb. Auch wenn seine Dramen heute kaum mehr gespielt werden, so gehören sie doch zum unvergessenen Repertoire der alten Bundesrepublik und sind moderne Klassiker. Stücke wie „Bekannte Gesichter, gemischte Gefühle“, „Trilogie des Wiedersehens“ oder „Groß und klein“ wurden von der Kritik gefeiert und haben sich ins Gedächtnis der Theaterbesucher eingegraben. Strauß, 1944 in Naumburg/Saale geboren, prägte das melancholische Lebensgefühl einer Generation, die mit der kritischen Theorie Adornos, Horkheimers und Marcuses groß geworden war, den Glauben an eine wohlmeinende historische Dialektik und die baldige Ankunft der erlösenden Utopie jedoch verloren hatte.
„Ohne Dialektik denken wir auf Anhieb dümmer; aber es muß sein: ohne sie!“
(PP, S. 115)
Kaum ein Buch spiegelt Strauß’ postutopische Haltung besser als seine Notizensammlung „Paare, Passanten“ aus dem Jahre 1981. Rasch erlangte sie Kultstatus und wurde als zeitdiagnostisches Meisterwerk gefeiert, als neue Minima Moralia (Peter von Becker). Strauß, der es bereits als Theaterkritiker zu einiger Bekanntheit gebracht hatte, galt nun als Stimme der lebensgeschichtlich ernüchterten Achtundsechziger – als ein analytisch Hochbegabter, der sich über die Aufklärung aufgeklärt hatte und nun jenseits von links und rechts schrieb, was im Stadium einer eingefrorenen Geschichte noch zu schreiben war. Mikroskopisch genau in der Analyse, mit einem absoluten Gehör für psychosoziales Leiden und der prekären Lage eines „tatenlose(n), überinformierte(n) Bewußtsein(s), das nicht mehr in der Lage ist, Wunsch, Idee, Erinnerung zu produzieren“ (PP, S. 195).
Strauß war ohne Frage das, was man einen freien Geist nennt, und nichts deutete damals darauf hin, dass er einmal zum Parteigänger des rechten Anti-Liberalismus konvertieren sollte, zum Kronzeugen völkischer Intellektueller und Demokratieverächter. Und doch ist dieses Rezeptionsschicksal kein Zufall, denn Strauß selbst hat es herausgefordert. Er hat sich als Schriftsteller und politischer Intellektueller in erstaunlich kurzer Zeit radikalisiert, und als er 1993 seinen Essay „Anschwellender Bocksgesang“ in der programmatisch rechtsradikalen Zeitschrift „Der Pfahl“ (Matthes & Seitz) veröffentlichte, konnten einschlägige Milieus das Pamphlet durchaus so verstehen, wie es womöglich verstanden werden wollte: als Bekennerschreiben eines Renegaten, der Anschluss sucht an die Elite der Wissenden, an jene „Tiefendenker“ wie Martin Heidegger, Ernst Jünger oder Julius Evola, die die Kernfäule der liberalen Moderne angeblich schon gerochen hatten, als diese noch siegessicher ihrer Zukunft entgegeneilte.
Die alles entscheidende Frage lautet natürlich, welche historischen Erfahrungen und intellektuellen Motivverschiebungen es waren, die diesen ungewöhnlichen Schriftsteller in einen unmissverständlichen Anti-Liberalen verwandelt haben. Was hat den Zeitdiagnostiker, Bühnen- und Romanautor Botho Strauß zu einem, vorsichtig gesagt, Demokratiekritiker mit definitiv unklarem Verhältnis zu liberalen Freiheiten werden lassen?
1. Der Theaterkritiker Botho Strauß
Um die Strauß’sche Selbstradikalisierung zu verstehen, ist es ratsam, mit seinen scharfsinnigen Kritiken und Essays zu beginnen, die er als junger Rezensent in der Zeitschrift „Theater heute“ veröffentlicht hat (2). Wer diese Texte liest, spürt sofort die eminente Begabung, die frappierende Urteilssicherheit und ungemeine Belesenheit eines Autors, der keinen Unterschied machen möchte zwischen einer analytischen und einer ästhetischen Kritik. Seine Rezensionen waren, heute kaum mehr vorstellbar, mit Theorie gesättigt und zeigten keinerlei Scheu vor dem Komplexen, Schwierigen, Abgelegenen.
Anfangs wirkt Botho Strauß in seinen Theaterrezensionen wie ein Suchender, er sieht alles Mögliche, er bedenkt und verwirft. Doch als er den Stücken Peter Handkes begegnet, scheint – nach kurzem Zögern und einem unmissverständlichen Verriss – seine Suche ein Ende zu haben. Der junge Österreicher fasziniert ihn, denn mit ihm teilt Strauß ein leidenschaftliches Interesse an der menschenformenden Macht der Sprache.
Mit großer Präzision zeige Handke, wie das Individuum durch gesellschaftliche Sprachmuster diszipliniert, wie es ab- und zugerichtet wird. Die Grammatik der öffentlichen Sprache prägt die „Grammatik“ des privaten Lebens.
Dass die gesellschaftliche Sprache, ihr Vorrat an welterschließenden Bildern und kommunikativen Metaphern den Raum individueller Erfahrung formatiert: Das ist der Leitfaden, anhand dessen Strauß fortan das Bühnengeschehen verfolgt. Immer wieder begegnet er in deutschen Theatern eklatant sprachlosen Figuren, der Rezensent erlebt sinnlose Eloquenz und redseliges Verstummen. In einer Inszenierung von Ödon von Horvàths Stück „Kasimir und Karoline“ scheitern die Liebenden schon daran, ihr Begehren überhaupt zu adressieren; eine mysteriöse Macht hat ihnen die Sprache verschlagen und sabotiert ihre liebende Artikulation. Doch die Figuren verfehlen ihr Leben nicht deshalb, weil sie sozial deklassiert sind, das sind sie ohnehin; sie verfehlen es, weil sie der Sprache beraubt wurden, um ihr Begehren überhaupt differenziert zum Ausdruck zu bringen.
Der Kapitalismus, so lautet die Pointe, besitzt nicht nur eine soziale, er besitzt auch eine symbolische Dimension – er pauperisiert Wortbedeutungen und macht sie austauschbar wie Geld.
Die semantische Verödung hat Konsequenzen für das Organon der Sprache selbst. Die Sprache zieht sich in sich selbst zurück und exponiert ihre eigene Materialität – sie quakt, murmelt, plappert. „Ent-sprechend“ erscheinen die Figuren als subjektlose Subjekte, als Epiphänomene einer ihnen äußerlich bleibenden gesellschaftlichen Sprache. Sie sind frei, können aber mangels Sprache ihrer Freiheit keinen unverwechselbaren Ausdruck verleihen. Es gibt kein richtiges Leben in der falschen Sprache.
2. Die frühen Theaterstücke
Strauß hat damit sein Thema gefunden, eine ganz eigene und originelle Kritik der liberalen Gesellschaft. Deren Pathologie besteht darin, dass sie im Maß ihres historischen Erfolgs jene kulturellen Ressourcen zerstört, in deren Licht sich die erkämpfte Freiheit überhaupt erst als eine sinnvolle bestimmen lässt. Der Preis des liberalen Fortschritts ist eine leere, im Fall seines Theatererstlings sogar mörderische Emanzipation.
Die Hypochonder
„Die Hypochonder“ (1972) spielt um die Jahrhundertwende 1901 in Amsterdam und inszeniert eine Art Labor, in der Naturwissenschaftler zusammenkommen, um die Alltagssprache von ‚irrationalen‘ Wortbedeutungen und religiösen ‚Verunreinigungen‘ zu säubern. Doch die Klinifizierung der Sprache hat eine fatale Konsequenz. Indem die Wissenschaftler sie von metaphysischen Bildern „befreien“, zerstören sie die symbolische Voraussetzung menschlicher Rede – sie dehumanisieren den gemeinsamen kommunikativen Raum. Die Figuren taxieren einander nur noch als instrumentell verfügbare Objekte, und damit ist in der posthumanen Sachlichkeit einer wissenschaftlich entzauberten Sprache ein Mord kein Mord mehr, sondern lediglich ein Zwischenfall in einem Geschehen, das sich schicksalhaft hinter dem Rücken der Akteure zu vollziehen scheint.
Doch Strauß skandalisiert in seinen Dramen nicht nur, dass die wissenschaftliche Aufklärung in überlieferte Sprachtraditionen eindringt und sie „kalt“ und bedeutungslos macht. Ebenso kritisch inszeniert er die Infiltration durch Ökonomie und Medien; auch sie greifen den Reichtum der Sprache an, auch ihre Logik besteht darin, Wortbedeutungen zu neutralisieren, sie auszusaugen oder umzumünzen.
Kalldewey, Farce
Alte Wortbestände sind hier das erste Opfer; sie sind dem Bühnenpersonal zutiefst verpönt und wecken sein spontanes Misstrauen, in diesem Fall das von zwei aufgeklärt-abgeklärten Journalistinnen: „Pönt, sagt doch kein Mensch“ – „Pönt und so’ne Quatschwörter“ – „Laß doch mal den Kack mit den Wörtern (…) – Uaaah! Die sagt bloß Quatschwörter, die keiner sagt.“ – „Du sabberst doch auch nur rum.“ (Kalldewey, Farce; TS II, S. 21f)
Trilogie des Wiedersehens
Auch die Sprache des Geldes erweist sich als bedeutungszerstörende Macht; der ökonomische Code konvertiert Wortbedeutungen oder verwandelt Gespräche in profitable Investitionen. Die Überformung kommunikativer Rede durch ökonomische Muster hat Strauß in der „Trilogie des Wiedersehens“ (1977) mit der Figur des „Kläuschen“ großartig in Szene gesetzt. Auf die Frage, ob er mit seiner „Mami“ oder mit dem Vater „Skiferien“ mache, antwortet der utilitaristische Knirps: „Mit meinem Vater.“ – „Ist dein bester Freund, der Vati?“ – „Ja. Geschäftsfreund.“ (TS I, S. 353)
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Sprachlose Freiheit, scheiternde Kommunikation, „sabbernde“ Sprache – das sind die Themen, die Strauß in immer neuen und immer anderen Theaterstücken auf die Bühne bringt.
Seine dramatischen Reflexionen entwickeln dabei einen eigenen, unverkennbaren Sound, sie intonieren einen melancholischen Wortgesang über die erstarrte Lebendigkeit einer Subjektivität, die zuverlässig daran scheitert, sich über ihren aufgeklärten Zustand Aufklärung zu verschaffen. In dieser Phase seines Werkes, also in den siebziger Jahren, betreibt Strauß Liberalismuskritik als Sprachkritik; er inszeniert die Tragik einer Autonomie, die nicht mehr weiß, warum sie überhaupt frei sein soll. Statt selbstbewusst ihre Lebensform zu wählen und zu bestimmen, wovon sie sich bestimmen lassen, verlieren die Charaktere den Boden unter den Füßen und stehen existentiellen Grunderfahrungen wie Liebe und Glück, Krankheit und Tod in spektakulärer Sprachlosigkeit gegenüber. Die stumme Gewalt von Geld, Wissenschaft und Medien, aber auch die traditionsvergessene Aufklärung selbst haben die kulturellen Quellen der Lebensdeutung ausgetrocknet und die Sprache ins Exil getrieben, ins „Plappern“ und „Sabbern“.
Damit steht das Urteil fest. Der Liberalismus der Bundesrepublik konsumiert die Bedeutsamkeit der Welt, er lebt von symbolischen Beständen, die er nicht erneuern, sondern nur verbrauchen kann.
Ohne einen interpretativen Horizont aus starken Wertungen spaltet sich das liberale Freiheitsbewusstsein vom Handlungsbewusstsein ab und produziert eine entropische Gesellschaft, in der sich Freiheit reduziert auf Wahlfreiheit oder die Entscheidung zur Nichtentscheidung. Lynn, der ein Therapeut in „Kalldewey, Farce“ (1982) gerade die letzten Regungen der Schwermut austreibt: „Ich kann mich nicht entscheiden: Geh ich ab? Bleib ich da, sag ich was / sag ich nix? Ich will weg, weg und bleiben, bleiben.“ (TS II, S. 61)
Strauß macht kein Geheimnis daraus, dass sein Sprachverständnis theologische Wurzeln hat: Die Sprache, die im Säkularismus der liberalen Demokratie ihren welterschließenden Sinn verliert, war ursprünglich eine Gabe, die Gott den Menschen hinterlassen hat.
Der göttliche Logos bildet die vorgängige Textur der Welt, und dieser Textur gegenüber sind die Menschen zur Treue verpflichtet. Sie dürfen sie nicht zerstören, nicht „übersprechen“.
Groß und klein; Rumor
An keiner Stelle hat Strauß diese Sprachauffassung so eindringlich in Szene gesetzt wie in „Groß und klein“ aus dem Jahre 1978 – und gleichzeitig blitzt in diesem Stück bereits jener tiefe Pessimismus auf, den er später zu einer mythischen Wende radikalisieren wird.
Das Stück handelt von Lotte-Kotte aus Remscheid-Lennep – bei Strauß sind Doppelnamen Allegorien für das Spiegelstadium der Kultur – die von ihrem Mann verlassen wurde und nun als Pauschaltouristin nach Marokko reist. Doch die Ferne ist nicht die Ferne, sondern der Spiegel des Eigenen: Im Naturfrieden der Wüste zeigt sich die Wahrheit des Liberalismus, sein innerer Bürgerkrieg („jeder gegen alle“). Die Reisegruppe ist sich „spinnefeind“, zerfressen von „Gier, Neid, Desinteresse, Habsucht und blinde(m) Eifer“ (TS I, S. 413). Die Weltgeschichte scheint wieder dort angekommen zu sein, wo sie einst mit dem Exodus begonnen hatte – nämlich in der Wüste, im Stillstand der prähistorischen Zeit. „Die Zeit vergeht, aber nicht richtig.“ (TS I, S. 407). Doch eines Abends geschieht ein Wunder, von dem aber niemand zu sagen vermag, ob es tatsächlich eines ist. Lotte erlebt ein Pfingsten der Sprache und wird Zeugin eines Gesprächs zwischen zwei Unbekannten. Der Sinn der Wörter bleibt ihr unverständlich, es könnte sich auch um das übliche Geplapper handeln. Am Nullpunkt der Kommunikation wirkt der Klang der Stimmen jedoch Wunder und verwandelt alles. Lotte, der Engel im Stück, glaubt hinter ihrer Jalousie religiöse Brocken zu hören und erlebt das ursprüngliche Vernehmen der Sprache. „Hab ich mein Lebtag nicht gehört, solche … solche … Wohl – laute!“ (TS I, S. 405)
Ist die Erfahrung des Heiligen bloß eine Einbildung? Eine religiöse Fata Morgana in der Touristenwüste? Der Zuschauer erfährt es nicht, das Widerfahrnis bleibt ästhetisch unentscheidbar in der Schwebe. Doch für Lotte selbst war es eine An-Rede, und danach geht sie mit anderen Augen durch die Welt; sie fühlt sich frei, und der mythische Zwang, der über ihrer gesellschaftslosen Gesellschaft liegt, löst sich auf. Doch die Verwandlung der Sprache bleibt privat, es gibt kein profanes Pfingsten, niemand ist empfänglich für das Neuwerden der Sprache. Und was nach dem Nationalsozialismus vom „Deutsch der Deutschen“ übrig ist, das verendet im Rationalitätsgehäuse einer amerikanisierten Moderne (das ist das Thema des Romans „Rumor“ aus dem Jahr 1980).
Hatte Strauß bislang den Eindruck erweckt, die Sinnkrise der liberalen Gesellschaft könne kulturell, also durch eine (metaphysische) Öffnung der Sprache kuriert werden, so glaubt er das bald nicht mehr.
Immer öfter finden sich Passagen, die den Eindruck erwecken, die Bundesrepublik könne nicht mehr von innen reformiert, sondern nur noch im Ganzen überwunden werden. Zu tief sind ihre Insassen in das System verstrickt, zu versteinert, zu gleichgültig sind all die rationalen Egoisten. Sie sind so heillos entfremdet, dass ihnen ihre eigene Fremdheit schon wieder vertraut vorkommt. Was der Liberalismus Gesellschaft nennt, ist eine Ansammlung aus isolierten Einzelnen, die ihre Freiheit als persönlichen Besitz verstehen und nur durch ihre Trennung verbunden sind – durch die gemeinsame Verfolgung selbstsüchtiger Interessen. Und der „Kapitalistische Realismus“ der Kunst (so das Thema der Ausstellung in der „Trilogie des Wiedersehens“) transzendiert die Wirklichkeit nicht mehr, sondern vermag nur noch, diese ästhetisch zu verdoppeln. Das „Heilige“ aus „Groß und klein“ ist unkenntlich geworden.
3. Die Wiederkehr des Tragischen
Wohnen, Dämmern, Lügen
Die Stücke und Prosatexte bekommen nun etwas Drohendes und Gewaltsames. Der doppelte Schluss von „Kalldewey, Farce“ klingt bereits nach einer Warnung, während die Prosasammlung „Wohnen, Dämmern, Lügen“ (1994) den unbewussten Wunsch nach dem erlösenden Unheil verrät, nach der Wiederkehr der Tragik in posttragischen Verhältnissen. Die Erzählerstimme schildert, wie die sinnlos plappernde und heillos „übersprochene“ Sprache zu einem gewaltigen „Feuerball“ zusammenschießt, zu einer alles vernichtenden „Masse“ aus „Redeklumpen“, die über die Gesellschaft hinwegrollen. Das „Sprach-Biest“ aus „Ex-Wörtern“ initiiert einen Akt reinigender Gewalt: „Am Ende wird man am Schopf und am Leib ergriffen von der entfesselten wörtlichen Bedeutung, die uns mit animalischen Kräften überfällt. Das Sprach-Biest und das Menschen-Gestell …“ (WDL, S. 193). Kurz zuvor hatte Strauß einen (als Kinobesucher) maskierten Dichter bereits von der großen Säuberung träumen lassen.
Aber vielleicht ist meine Hoffnung bereits auf das Unheil gerichtet. Auf einen Bildersturm, wie die Welt ihn noch nicht gekannt hat … Es muß über uns kommen, aus uns selbst kommt nichts mehr.“ (WDL, S. 179 f.)
Strauß kritisiert hier nicht mehr nur die kulturelle Pathologie des Liberalismus, nein, er kritisiert das System nun insgesamt als Fehlentwicklung, als falsche Emanzipation nicht mehr vom jüdisch-christlich verstandenen Heiligen, sondern vom mythischen Sakralen. In einem eminent folgenreichen, ja werkbestimmenden Schritt wechselt er sein geschichtsphilosophisches Koordinatensystem aus; Strauß verlässt den für „Groß und klein“ noch selbstverständlichen monotheistischen Bezugsrahmen und geht hinter die mosaische Gründungsszene, also hinter die Weltbildrevolution der Achsenzeit zurück. Damit sitzt plötzlich der Monotheismus auf der Anklagebank. In einem singulären Akt der Selbstaufwerfung, so scheint ihm Strauß vorzuwerfen, hat er gegen das sakrale Ursprüngliche rebelliert und die Zivilisation von vitalen Lebensmächten abgeschnitten. Der Glaube an den Einen Gott war der falsche Exodus, es war jener Auszug aus der „Tagesordnung des Ewigen“ (WDL, S. 181), mit dem die Weichen in die Moderne falsch gestellt wurden: in die Sackgasse einer existenzvergessenen Emanzipation.
Nicht mehr das jüdisch-christliche Weltbild, sondern das tragische Denken der antiken Götterwelt bildet nun die kontrastive Folie der Strauß’schen Gegenwartskritik. Der westliche Liberalismus, wird es nun heißen, zerstört nicht nur den Reichtum der Sprache, sondern verfehlt auch die sakrale Grundwahrheit der Geschichte. In Wahrheit habe die Geschichte die mythische Zeit nie verlassen und sei viel eher ein Kontinuum des Schreckens als des Fortschritts. „Geschichte“, sagt die dominante Prosastimme in „Wohnen, Dämmern, Lügen“, „gibt es nur, um den steten Fluß der Träne zu sichern“ (WDL, S. 187). Unter dem Sakralen, das den Kern des Mythos ausmacht, versteht Strauß das „Immerwährende“ und Ursprüngliche, dazu zählen auch Tragik und Opfer. „Es ist Unheil wie eh und je.“ (ABG, S. 24) Jeder Versuch, die unveränderbare Opferlogik der Geschichte soziopolitisch zu überwinden, muss scheitern, denn er provoziert notwendigerweise die Wiederkehr „verschleppter“ Gewalt und aufgestauter Tragik.
Da die Geschichte nicht aufgehört hat, ihre tragischen Dispositionen zu treffen, kann niemand voraussehen, ob unsere Gewaltlosigkeit den Krieg nicht bloß auf unsere Kinder verschleppt.“ (ABG, S. 11)
Den Holocaust nennt Strauß ein „Verhängnis in sakraler Dimension des Wortes“, wobei er keinen Zweifel lässt an der über „das Menschenmaß hinausgehende(n) Schuld“. (ABG, S. 22)
Die Fremdenführerin; Ithaka
Doch die liberale Gesellschaft verdrängt nicht nur das Tragische; sie hat nicht einmal mehr einen Begriff davon – wie die Reiseleiterin in „Die Fremdenführerin“ (1986), der jedes Verständnis für mythische Bilder fehlt. Während man das Stück noch als Kritik an antitragischen Bewusstseinsformen verstehen kann, so übt das Drama „Ithaka“ (1996) eine dezidiert politische Kritik, und zwar am Status quo der von fremden Mächten „belagerten“ deutschen Nation. Unschwer ist jedenfalls das besetzte griechische Archipel als Allegorie der amerikanisierten Bundesrepublik zu erkennen; die Besatzer unterhalten keinerlei Beziehung zur Tradition der Inselkultur und entpuppen sich als larmoyante Wohlstandsbürschchen, die den anscheinend glücklichen Bellizismus der Antike gegen einen feigen Hedonismus ausgetauscht haben. Die hasenfüßigen Pazifisten kennen weder Freund noch Feind, weshalb sie den Dienst an der Waffe erst einmal abgeschafft haben. „Zaghafte Jünglinge erhalten Trophäen, weil sie sich niemals an einer Waffe vergriffen.“ (TS III, S.107) Nachdem die postheroischen Großmäuler alles Leben zum Stillstand gebracht haben, senkt sich eine bleierne Geschichtslosigkeit über die Insel und lässt die schöpferischen „Kräfte“ des Volkes „verfaulen“. Erst der heimkehrende Herrscher Odysseus beendet the end of history. Mit der blutigen Abschlachtung der Freier stellt er die mythische Ordnung wieder her; er bringt das Leben auf die Insel zurück und führt sein Volk heim ins Heilige der eigenen Kultur.
4. Anschwellender Bocksgesang und „heilige“ Wiedervereinigung
Gewiss, das sind ästhetische Fantasien, und die Literatur wäre unendlich arm, wenn sie nicht ihr Recht wahrnähme, mit aller imaginativen Radikalität geschichtliche Welten in die Luft zu jagen. Aber so gewitzt „Ithaka“partienweise auch ist, die Kernidee des Stücks – die Befreiung von der Westbindung des deutschen Geistes und dessen Rückkehr ins nationale Eigene – findet sich auch in Strauß’ Essay „Anschwellender Bocksgesang“ (3). Bei dem Text handelt es sich zunächst um die Enttäuschungsverarbeitung eines Schriftstellers, der sich eingestehen muss, dass ihn seine Hoffnungen von 1989 getrogen haben: Zwar ist die Berliner Mauer gefallen, doch in Deutschland herrscht immer noch die Systemlogik der Bundesrepublik, die „ebenso lächerliche wie widerwärtige Vergesellschaftung des Leidens und des Glückens“ (ABG, S. 14), die Negation des „Tragischen“ (ABG, S. 15), die Austreibung von „Anwesenheit, von unaufgeklärter Vergangenheit, von geschichtlichem Gewordensein, von mythischer Zeit …“ (ABG, S. 13). „Es ist der Mars auf Erden, so kalt, so leblos, vieldurchfurcht und ohne Atmosphäre.“ (ABG, S. 17)
Kurzum, der von Strauß sehnsüchtig erwartete Systemwechsel ist ausgefallen, der Kult der Tabuverletzung sowie die „politischen Relativierungen von Existenz“ (ABG, S. 23) bestimmen weiterhin den nationalen Alltag: Die „Verhöhnung des Eros, die Verhöhnung des Soldaten, die Verhöhnung von Kirche, Tradition und Autorität (...).“ (ABG, S. 11)
Strauß, und das ist der Grund für seine Enttäuschung, hatte sich die „Heilige Wiedervereinigung“ (4) ganz anders vorgestellt als etwa der amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama. Nicht als planetarischen Sieg des liberalen Weltgeistes, sondern als Bruch mit der Westbindung und als Wiederanschluss der tieferen deutschen Kultur an die Politik. Dass Strauß die Wiedervereinigung in neuheidnisch-nationalreligiöser Begrifflichkeit beschreibt und sie „heilig“ nennt, ist kein Zufall; für ihn stellt der Mauerfall ein seinsgeschichtliches Ereignis dar, das mit soziohistorischen Erklärungen nicht annähernd begriffen werden kann. Die Epochenzäsur von 1989 beendet den Kalten Krieg der Weltmächte und eröffnet Deutschland die Möglichkeit, sein von der Verwestlichung verdrängtes „Sittengesetz“ an die Gegenwart anzuschließen. Mit dem „Sittengesetz“ kehrt der existentielle Ernst des Lebens in die Gesellschaft zurück, ein Ernst, der ebenso an das Erkennen von Freund und Feind gebunden sei wie an die kollektive Opfer- und Tötungsbereitschaft.
Daß jemand in Tadschikistan es als politischen Auftrag begreift, seine Sprache zu erhalten, wie wir unsere Gewässer, das verstehen wir nicht mehr. Daß ein Volk sein Sittengesetz gegen andere behaupten will und dafür bereit ist, Blutopfer zu bringen, das verstehen wir nicht mehr und halten es in unserer liberal-libertären Selbstbezogenheit für falsch und verwerflich.“ (ABG, S. 11)
Mit anderen Worten: Auch vier Jahre nach der Wiedervereinigung herrscht noch immer der anti-tragische, existenzvergessene und nun nach Osten erweiterte BRD-Liberalismus, doch er herrscht, so versichert Strauß dem Leser, nicht mehr lange. Unter dem Parkett der „Massendemokratie“ hat „die Geschichte ihre Dispositionen“ (ABG, S. 11) getroffenen, und der Autor hört bereits den „anschwellenden“ Rumor wiederkehrender Tragik. „Im Banne des Vorgefühls. Die Ursachen liegen im seismischen Bereich. Katastrophische, destruktionshaltige Vorgefühle durchlaufen den gesamten Organismus des Zusammenlebens und vergrößern sich dabei systemüberschattend.“ (ABG, S.22). Das frivole Tremolo von der Wiederkehr der Tragik, auch die Heiligung des Nationalen wären im mosaisch-christlichen Weltbild seines Frühwerks undenkbar gewesen; entsprechend erwartet Strauß bei der Rückkehr der Nation ins kulturell Eigene nicht den gerechten Gott der jüdisch-christlichen Überlieferung, sondern das pagane Ensemble der griechischen Götter:
Die Wiederkehr der Götter, wie Malraux und Jünger sie voraussehen, die Hoffnung der Weisen – nur: wie heißen die Künftigen und wer empfängt sie? (…) Solche Wiederkehren kämen dem Einbruch des Unbekannten gleich, unter Umständen sogar: des einmalig Fürchterlichen.“ (ABG, S. 21)
Dass Botho Strauß liberale Regierungsformen, vulgo: die Demokratie als Abweichung von der „Tagesordnung des Ewigen“ kritisiert – dies muss man ihm nicht unterstellen. Ausdrücklich bezieht er sich auf den politischen Anti-Monotheismus eines Gomez Davila, Julius Evola oder Ernst Jünger. Doch welchen nationalen Traum träumt er selbst? Wie stellt Strauß sich den postliberalen Staat vor, den realisierten Wiederanschluss der deutschen Kultur an die Politik?
5. Der Wiederanschluss des deutschen Geistes
Auf den ersten Blick scheint es, als erwarte Strauß lediglich mehr „deutsche Kultur“, mehr „Anwesenheit“ nationaler Vergangenheit in Theater, Musik und Literatur. Doch das verfehlt den Kerngedanken seines Sanierungsprogramms, nämlich die Idee einer schlagenden Verbindung aus deutschem Geist und deutscher Politik. Nur zu Erinnerung: Das Grundproblem des Liberalismus bestand für den frühen Strauß darin, dass er die existenzerhellenden religiösen und kulturellen Vokabulare zerstört, in denen Subjekte ihr Leben als ein sinnvolles deuten.
Der spätere Strauß gibt sich mit dieser bloß kulturellen Kritik nicht mehr zufrieden und greift das System selbst an, den liberalen Freiheitsbegriff, die Tragikvergessenheit, überhaupt die Trennung der Wertsphären von Politik und Kultur. Denn anstatt das tragische Wissen der Kunst an das Politische anzuschließen und Geist und Macht zu versöhnen, spalte der Liberalismus Kunst und Kultur ab und überlasse sie dem „Régime der telekratischen Öffentlichkeit“, der „unblutigste(n) Gewaltherrschaft und zugleich de(m) umfassendste(n) Totalitarismus der Geschichte“ (ABG, 18). Aus diesem Grund ist liberale Politik Macht ohne Geist; sie reduziert sich auf Wohlstandsmehrung, Konfliktvermeidung, Verwaltung, Bürokratie, Sozialfürsorge und Verteilungsgerechtigkeit, mithin auf die Abwehr von Lebensrisiken, von Leid, Unglück und Not. Strauß sieht darin keinen Fortschritt, sondern nur einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Relativierung von Existenz in einer „Turbohölle der Scheinbarkeiten“ („Die Ähnlichen“; TS III, S. 244).
Unsere Unglücke und schlechten Aussichten, Bedrohungen und Kämpfe sind auf schmerzliche, beinahe brutale Weise untragisch. Daher, und so war es immer, dies urtümliche Verlangen, die Tragödie zu schauen und von der Unermeßlichkeit des Leids berührt und gestärkt zu werden. Der Mensch, selbst nur ein Wurm im Leidwesen, ein kleiner Kriecher des Unglücks, ist der Tragödie bedürftig.“ (NA, S. 207)
Wie die Moderne insgesamt, so wähnt sich auch der Sozialstaatskapitalismus jenseits der Tragik; er gießt die Tragikvergessenheit des Liberalismus gleichsam in Wohlfahrtsbeton und verdunkelt das ontologisch unaufhebbare Faktum von Unglück und Not. Der Versorgungsetatismus der BRD weiß nicht mehr, was die (deutsche) Kunst weiß, er weiß nichts von der Gegenwart der Tragödie, den Archetypen des Lebens und den Grundbedingungen des Menschlichen. Unter Anspielung auf Heideggers Diktum von der „Not der Notlosigkeit“ schreibt Strauß: „Viele werden erst lernen müssen, daß vom Reichtum an aufwärts die Not beginnt.“ (AW, S. 40)
Strauß verabschiedet hier nicht nur die liberale Trennung von Staat und Individuum, sondern zugleich jene werkgeschichtliche Phase, die den „Tod der Sprache“ in den Mittelpunkt des kritischen Interesses rückte. Während die frühen Stücke die Möglichkeit ins Spiel brachten, eine kulturell erneuerte, an verschüttete Bedeutungsquellen angeschlossene Sprache könne dem existenzvergessenen Bürger die Augen öffnen, so überträgt Strauß diese Aufgabe nun dem exekutiven Staat: Er ist es, der die „Relativierung von Existenz“ beenden und das unlebendige, von molekularer Gewalt bedrohte Leben vitalisieren und ihm Sinn verleihen soll. Schwermütig beschwört die Niemandsgartenszene in „Wohnen, Dämmern, Lügen“ (WDL, S. 49ff) eine metaphysische Staatlichkeit, die machtvoll das öffentliche Leben strukturiert und die dunklen Antriebe des Einzelnen gleichsam in Form setzt.
In dieser postliberalen Staatlichkeit gehen Geist und Macht wieder eine Synthese ein, denn beide wurzeln in jenem Sakralen, das verdrängt zu haben den Gründungsdefekt des Liberalismus ausmacht.
Nach dem Wiederanschluss des Geistes an die Macht – so erläutert Strauß mit einem Zitat von Rudolf Borchardt – gibt die Dichtung erneut „der Politik den Gehalt (…), wie von Dante und Petrarca zu Macchiavell, über Milton und Voltaire zu Schiller, über die deutsche Romantik zu Hegel ...“. (AW, S. 15f)
So harmlos die Forderung nach einem Wiederanschluss des Kulturellen an das Politische klingt – in Wahrheit redet Strauß einem politischen Vitalismus das Wort, der dem Staat allen Ernstes die Aufgabe stellvertretender Existenzerschließung zuweist. Ein postliberaler Staat soll der existenzvergessenen „Not der Notlosigkeit“ ein Ende bereiten und – so stellt es sich dar – den Bürger mit den tragischen Wahrheiten des eigentlichen Lebens konfrontieren. Zugleich lenkt der „König“ (das ist das antiliberale Begriffsbild am Schluss des „Bocksgesangs“) die anthropologisch unhintergehbare Gewalt der Gesellschaft, ihren Thymos, auf seine Person; souverän macht er sich selbst zum Sündenbock, beendet den Bürgerkrieg und stiftet Frieden. Diese Denkfigur erklärt das Politische zu einer Form des rational undurchdringlichen Lebens; die Entscheidungen des Souveräns beruhen nicht auf Vernunft, nicht auf Argumenten oder normativen Legitimationsfiguren – es sind Entscheidungen aus dem vorpolitischen Nichts und damit so unbegreiflich wie das „heilige“ Leben selbst. Der Staat, und das macht das Strauß’sche Denken für die neuheidische Rechte attraktiv, ist nicht mehr der Garant von Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit; er ist der Garant von mythischer Homogenität, absoluter Ordnung und Lebenstiefe: Der Einzelne spürt sich wieder.
Im Vergleich zum frühen Werk markiert dieses Denken einen Unterschied ums Ganze. Im jüdisch-christlichen Deutungsrahmen, in der Beziehung von „Groß“ (Gott) und „Klein“ (Subjekt), sollte das archaisch Sakrale – Macht, Opfer, Tragik – durch das monotheistisch verstandene Heilige überwunden beziehungsweise im kulturellen Sprachspiel entschärft werden. Der späte Strauß dagegen dreht die Vorzeichen um. Nun möchte er im archaisch Sakralen, im Immerwährenden und Ursprünglichen, jenes „Heilige“ erkennen, das im dichterischen Gedächtnis aufbewahrt und der liberalen „Jetztlebigkeit“ normativ entgegensetzt werden kann.
Strauß beseitigt damit nicht nur die Grenze von Kunst und Politik; er verklärt auch das sakrale Dichterwissen zur Wahrheit des Politischen. Viel Hoffnung auf eine Versöhnung von deutschem (Dichtungs-)Geist und deutscher Macht hegt er allerdings nicht mehr.
(D)ie Flutung des Landes mit Fremden“, schreibt er im Herbst 2015, sei ein weiteres Beispiel dafür, wie weit sich der liberale Staat von der kulturellen Substanz Deutschlands entfernt habe. Strauß fühlt sich nun als „der letzte Deutsche“, dessen „Empfinden und Gedenken“ noch „verwurzelt (ist) in der geistigen Heroengeschichte von Hamann bis Jünger, von Jakob Böhme bis Nietzsche, von Klopstock bis Celan“. (5)
Gibt es eine Tragik des Botho Strauß? Es gibt sie. Strauß begann mit einem faszinierenden literarischen Projekt, er beschrieb in seinen Prosa- und Theaterstücken die Tragik eines Liberalismus, der auf seinem Siegeszug jene kulturellen Bilder neutralisiert, in deren Licht er die errungene Freiheit überhaupt erst als sinnvolle zu deuten vermag. In intensiven dramatischen Szenen beschrieb Strauß, wie die Macht des symbolischen Kapitalismus Hand in Hand mit einer missverstandenen Aufklärung Traditionen ökonomisiert und metaphysische Weltdeutungen verflüssigt. Doch der Phänomenologe hat sich von seinen eigenen Dekadenzdiagnosen irre machen und zu einem politischen Existentialismus verführen lassen, der rechte Denkmuster veredelt und salonfähig macht. Strauß hat verraten, was er ursprünglich retten wollte: die Freiheit.
Thomas Assheuer ist Redakteur im Feuilleton der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit.
Literatur
Siglen
- ABG = „Anschwellender Bocksgesang“. In: Der Pfahl. Jahrbuch aus dem Niemandsland zwischen Kunst und Wissenschaft, Heft VII (1993), S. 9–25.
- AW = „Aufstand gegen die sekundäre Welt“, München/Wien 1999.
- NA = „Niemand anderes“, München/Wien 1987.
- PP = „Paare, Passanten“, München 1981.
- TS I/TS II = „Theaterstücke“, München/Wien 1991.
- WDL = „Wohnen, Dämmern, Lügen“, München 1994.
Fußnoten
- Götz Kubitschek: „Gegenaufklärung – Botho Strauß ist 70.“, in: Sezession 63/2014, S. 47.
- Botho Strauß: „Versuch, ästhetische und politische Ereignisse zusammenzudenken“, Frankfurt am Main 1987. Vgl. dazu auch Th. Assheuer: „Tragik der Freiheit. Von Remscheid nach Ithaka. Radikalisierte Sprachkritik bei Botho Strauß“, Bielefeld 2014.
- „Anschwellender Bocksgesang“ in Der Spiegel Nr. 6/1993
- In: Die Zeit, Nr. 52/2000.
- „Der letzte Deutsche“, in Der Spiegel Nr. 42/2015. – Schon Thomas Mann kritisierte die rechtsintellektuelle Methode, kulturelles Wissen aus der „Sphäre reiner Erkenntnis“ auf das „soziale und politische Gebiet“ zu übertragen und damit einem „Zynismus des Untergangs“ zu „huldigen“. Th. M.: „Die Wiedergeburt der Anständigkeit“. In Ders.: „Politische Schriften und Reden“. Bd. 2, herausgegeben von Hans Bürgin, Frankfurt/M. 1968, S. 203–224, hier S. 210. Diesen Hinweis verdanke ich Irmela von der Lühe.
Veröffentlicht: 13. Dezember 2019