Jürgen Elsäs­ser und die Compact: Eine völ­ki­sche Quer­front gegen den Westen

Foto: Recher­cheN­etz­werk Berlin

Das Magazin Compact ist zu einem rele­van­ten Pro­pa­gan­da­blatt der extre­men Rechten gewor­den. Mit anti­se­mi­ti­schen Ver­schwö­rungs­fan­ta­sien bastelt die Zeit­schrift eine Erklä­rung für alles, was dem gemei­nen „Wut­bür­ger“ nicht passt – ob Flücht­lings­be­we­gun­gen oder Femi­nis­mus. Ein Blick auf die Inhalte des Magazins.

Jürgen Elsäs­ser wütet. Gegen den „Merkel-Impe­ria­lis­mus“, der die „ille­gale“ Ein­wan­de­rung nach Deutsch­land ermög­li­che. Gegen die „Selbst­er­nied­ri­gung im Zeichen des Anti­ras­sis­mus“, welche die ideo­lo­gi­sche Grund­lage für den Kampf gegen alles Deut­sche sei. Gegen Migran­ten aus Afrika, die als „junge kräf­tige Männer, gestählt im Dschun­gel- und Stra­ßen­kampf“, ent­wür­digt werden. Und er fragt: „Kann Salvini die Inva­sion abweh­ren, ohne zu schie­ßen?“ [1]

Das Monats­ma­ga­zin Compact erscheint seit Dezem­ber 2010. Jürgen Elsäs­ser ist Chef­re­dak­teur und das Gesicht des Blatts. Die zitier­ten Worte stammen aus der August-Ausgabe dieses Jahres und stehen bei­spiel­haft für die Feind­bild­be­stim­mung und die ideo­lo­gi­sche Aus­rich­tung der Zeit­schrift. Mitt­ler­weile ist das „publi­zis­ti­sche Maschi­nen­ge­wehr der Volks­sou­ve­rä­ni­tät“, wie Elsäs­ser sein Magazin einmal bezeich­nete, längst zu einem festen Teil der rechts­extre­men Publi­zis­tik geworden.

Ein Blick auf die rei­ße­ri­schen Cover der letzten Aus­ga­ben zeigt, wie nah das selbst­er­nannte „Magazin für Sou­ve­rä­ni­tät“ sich mitt­ler­weile an rechte und ras­sis­ti­sche Bewe­gun­gen geknüpft hat. Im Juni etwa adelte die Compact Victor Orbán, Matteo Salvini und Marine Le Pen auf dem Cover als „Hoff­nung für Europa“. Im Sep­tem­ber wurden die Wahl­er­folge der AfD mit dem Slogan „Der Osten steht auf“ gefei­ert. Zudem wurde kürz­lich eine Son­der­aus­gabe mit Reden und Inter­views des AfD-Rechts­au­ßen Björn Höcke ver­öf­fent­licht; bisher brachte die Zeit­schrift solch eine Son­der­aus­gabe nur für den rus­si­schen Prä­si­den­ten Wla­di­mir Putin heraus. Und Martin Sellner, einer der Köpfe der rechts­extre­men Iden­ti­tä­ren Bewe­gung in Öster­reich, schreibt regel­mä­ßig eine Kolumne im Magazin.

Anti­fe­mi­nis­mus

Diese Nähe zur orga­ni­sier­ten (extre­men) Rechten ent­springt den Inhal­ten der Compact, wie ein genaue­rer Blick auf das bereits zitierte August-Edi­to­rial zeigt. Elsäs­ser bezeich­net dort die Flucht­be­we­gun­gen aus Nord­afrika als gezielte „Inva­sion“, die einem poli­ti­schen Plan folge, vor­an­ge­trie­ben durch einen „Merkel-Impe­ria­lis­mus“. Doch nicht nur die Bun­des­kanz­le­rin wird dif­fa­miert und als „Königin der Schlep­per“ [2] bezeich­net, auch die Kapi­tä­nin der See­not­ret­tungs­or­ga­ni­sa­tion Sea Watch, Carola Rackete, wird als „Hippie-Kapi­tä­nin mit mas­ku­li­nen Zügen“ [3] zu ver­un­glimp­fen versucht.

Rackete wird dezi­diert als Frau und auf­grund von Äußer­lich­kei­ten ange­grif­fen und abge­wer­tet, was auf die stark anti­fe­mi­nis­ti­sche Aus­rich­tung der Zeit­schrift ver­weist. Von Anfang an schrieb die Compact gegen eine „Früh­sexua­li­sie­rung“ an. Kindern solle angeb­lich ihre „natür­li­che“ Hete­ro­se­xua­li­tät und die Scham genom­men werden, auch, um die Zer­stö­rung der hete­ro­se­xu­el­len Klein­fa­mi­lie vor­an­zu­trei­ben, die „als Schutz­zone, als Wider­stands­zelle, als Ver­si­che­rung auf Gegen­sei­tig­keit“ [4] in einem glo­ba­len Kul­tur­krieg kon­stru­iert wird. Jürgen Elsäs­ser betei­ligte sich 2014 auch an anti­fe­mi­nis­ti­schen Pro­tes­ten der „Besorg­ten Eltern“, der Compact-Chef­re­dak­teur behaup­tete dort einen „Sexzwang für Grund­schü­ler“ und stellte Homo­se­xua­li­tät in eine Reihe mit der Pene­tra­tion von Tieren.

Unver­hoh­le­ner Rassismus

Muslime und Asyl­su­chende tauchen in der Compact als trieb­hafte Gefahr auf, als ras­sis­tisch abge­wer­tete Andere, vor allem als andere Männer. So wird bei­spiels­weise die sexua­li­sierte Gewalt gegen Frauen in der Kölner Sil­ves­ter­nacht 2015/​2016 zu einem stra­te­gi­schen Moment umge­deu­tet, zu einem „Ein­marsch von weit über einer Million Neu­sied­ler“, „größ­ten­teils Männer im Hor­mon­über­schuss­al­ter“ [5]. Diese hätten „die Schwächs­ten“, die Frauen, gewis­ser­ma­ßen als Kriegs­tak­tik sexuell gede­mü­tigt, wie es eine „typi­sche Taktik bei der Land­nahme durch aus­län­di­sche Mächte“ sei, um Über­le­gen­heit zu demons­trie­ren: „Die Inva­so­ren demons­trie­ren: Wir sind die neuen Macht­ha­ber, Eure Frauen gehören uns, Eure Gesetze kümmern uns nicht“. [6] Die Compact spricht in diesem Zusam­men­hang von einem „ori­en­ta­li­schen Gang­bang-Rudel“. [7] Zudem würden Kino­filme und Pop­kul­tur Part­ner­schaf­ten zwi­schen Migran­ten und deut­schen Frauen bewer­ben, während Por­no­gra­phie und Femi­nis­mus den deut­schen Mann zum „Softie“ gemacht hätten – „Frei­wild Frau: Staats­me­dien und EU-finan­zierte Pro­pa­ganda ver­spre­chen Asy­lan­ten schnel­len Sex in Deutsch­land“ [8], heißt es etwa.

Sexua­li­sierte Gewalt ist nahezu aus­schließ­lich dann ein Thema, wenn Migran­ten als Täter iden­ti­fi­zier­bar sind. Zudem, wie am Bei­spiel Köln gezeigt, wird diese ver­schwö­rungs­ideo­lo­gisch ver­bo­gen und dabei zum Teil eines glo­ba­len Krieges im Kampf zwi­schen ver­meint­li­chen Völkern ideologisiert.

Foto: JFDA e.V. /​ Tuija Wigard
Anti­se­mi­tis­mus und Verschwörungsideologien

Hinter nahezu allen gesell­schaft­li­chen und welt­po­li­ti­schen Ten­den­zen ver­mu­tet die Compact eine große Ver­schwö­rung. Die Auf­nahme von Asyl­su­chen­den ver­folge das Ziel einer „nationale[n] Aus­lö­schung“, so Elsäs­ser. [9] An anderen Stellen wird neben der Migra­tion auch bei­spiels­weise Body Modi­fi­ca­tion, „die Ver­nich­tung bio­lo­gi­scher Geschlech­ter“ sowie eine „Abschaf­fung der Mei­nungs­viel­falt durch Poli­ti­cal Cor­rect­ness“ als stra­te­gi­sches Mittel des „Impe­ri­ums“ genannt. Das behaup­tete Ziel: „eine Masse kul­tur­lo­ser, hei­mat­lo­ser, staa­ten­lo­ser, geschlechts­lo­ser, instinkt­lo­ser, iden­ti­täts­lo­ser und ‚bil­dungs­fer­ner‘ Wesen“. [10] Diese, so die Logik, seien leich­ter zu regieren.

Elsäs­ser schreibt, es gebe eine „Selbst­er­nied­ri­gung im Zeichen des Anti­ras­sis­mus“ und einen Kampf „gegen Chris­ten und Weiße“ – und zudem solle die starke deut­sche Indus­trie durch Öko­lo­gie­ge­setze zer­stört werden. Falls Deutsch­land sich diesem „Marsch in den Unter­gang“ ver­wehre, „drohen Sank­tio­nen der EU, der UN oder irgend­ei­ner anderen Attrap­pen-Insti­tu­tion der Hoch­fi­nanz“. [11] Der Begriff der „Hoch­fi­nanz“ ver­weist auf den Glauben an eine inter­na­tio­nale Finanz­elite, welche enorme Macht besäße und, wie in diesem Bei­spiel, gewis­ser­ma­ßen unter ver­schie­de­nen Gesich­tern auf­trete und ihren Ein­fluss ausspiele.

Hierbei offen­bart sich der ideo­lo­gi­sche Rahmen, der Kitt in der Argu­men­ta­tion der Compact: ihr Anti­se­mi­tis­mus. Hinter sämt­li­chen poli­ti­schen Debat­ten, öko­no­mi­schen Ent­wick­lun­gen oder kul­tu­rel­len Phä­no­me­nen wird ein System, ein sinis­te­rer Plan ver­mu­tet. Demo­kra­ti­sche Insti­tu­tio­nen erschei­nen als „Attrap­pen“, Politiker*innen als „Mario­net­ten“. Das Mäch­tige wird per­so­na­li­siert, mal in einer „Israel-Lobby“ hinter der US-Regie­rung, mal in als jüdisch mar­kier­ten Banken. Stets wird die Exis­tenz einer kleinen Gruppe, einer unfass­ba­ren Macht, benannt, welche die Geschi­cke der Welt zu ihren Gunsten lenke. Dieses Motiv einer welt­wei­ten Ver­schwö­rung ist der ideo­lo­gi­sche Kern des moder­nen Anti­se­mi­tis­mus – und ein zen­tra­les und wie­der­keh­ren­des Argu­men­ta­ti­ons­mus­ter der Compact.

Eine völ­ki­sche Quer­front gegen Westen

Zwar kann das Magazin ange­sichts seiner aktu­el­len Schwer­punkt­set­zung sicher als rechts­extreme Publi­ka­tion bezeich­net werden, doch ins­be­son­dere in den ersten Jahren fanden Elsäs­ser und sein Blatt auch in Teilen der Linken Anklang. Während zu Beginn etwa anti­ame­ri­ka­ni­sche Ver­schwö­rungs­er­zäh­lun­gen um die dschi­ha­dis­ti­schen Ter­ror­an­schläge vom 11. Sep­tem­ber 2001 in den USA sowie anti­se­mi­ti­sche Mythen über Israel und die Finanz­wirt­schaft die Zeit­schrift prägten, kop­pelte sich Jürgen Elsäs­ser eng an die soge­nann­ten Mahn­wa­chen für den Frieden. Vor­geb­lich für den Frieden in der Ukraine demons­trier­ten bun­des­weit Klein­grup­pen jedoch vor allem für Russ­land und Putin, gegen die USA und gegen Israel – und wurden dabei durch geteilte Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gien zusam­men­ge­hal­ten. Nach­weis­lich rekru­tier­ten sich diese Mahn­wa­chen vor allem von links. [12] Hier waren neben dem anti­se­mi­ti­schen Ver­schwö­rungs­glau­ben auch anti­ame­ri­ka­ni­sche Res­sen­ti­ments kon­sens­fä­hig, und das weit über die extreme Rechte hinaus.

Bei der Betrach­tung der Compact als rechtes oder rechts­extre­mes Publi­ka­ti­ons­or­gan sollten diese stra­te­gi­schen Momente in der Ent­wick­lung der Zeit­schrift nicht ver­ges­sen werden. So ist die enge Ver­bin­dung zu der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung oder der AfD sicher­lich auch ideo­lo­gisch und im Ras­sis­mus der Zeit­schrift begrün­det – sie ist in Zeiten, in denen diese Gruppen großen öffent­li­chen Zuspruch erfah­ren, aber auch schlicht oppor­tu­nis­tisch. Bünd­nisse nach links, wie zu den „Mahn­wa­chen für den Frieden“, in bür­ger­lich-anti­fe­mi­nis­ti­sche Kreise, wie zu den „Besorg­ten Eltern“, oder zu staats­na­hen rus­si­schen Insti­tu­tio­nen waren, je nach tages­po­li­ti­scher Gemenge­lage, eben­falls kein Problem. Die völ­ki­sche Quer­front gegen den Westen, die libe­rale Demo­kra­tie und die in anti­se­mi­ti­scher Tra­di­tion kon­stru­ierte über­mäch­tige Elite war und ist stets das zen­trale Motiv der Zeit­schrift – und ließ sich stra­te­gisch anhand ver­schie­dens­ter ideo­lo­gi­scher Schnitt­men­gen bilden.

 

 

 

 

Lite­ra­tur

[1] Compact 08/​2019: 3.

[2] Compact 10/​2015.

[3] Compact 08/​2019: 3.

[4] Compact 12/​2011: 39.

[5] Elsäs­ser, Jürgen (2016): Köln: Merkels Inva­so­ren machen Jagd auf Frauen, https://juergenelsaesser.wordpress.com/2016/01&06/koeln-merkels-invasoren-machen-jagd-auf-frauen/ (abge­ru­fen: 02. Novem­ber 2019)

[6] ebd.

[7] Compact 02/​2016: 12.

[8] Compact 07/​2017: 17.

[9] Compact 08/​2019: 3.

[10] Compact 01/​2014: 34f.

[11] Compact 08/​2019: 3.

[12] Vgl. Daphi, Priska/​Rucht, Dieter/​Stuppert, Wolfgang/​Teune, Simon/​Ullrich, Peter (2014): Occupy Frieden. Eine Befra­gung von Teilnehmer/​innen der „Mahn­wa­chen für den Frieden“. Online unter: https://protestinstitut.eu/wp-content/uploads/2015/03/occupy-frieden_ipb-working-paper_web.pdf (abge­ru­fen: 2. Novem­ber 2019).

 

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