Ver­luste bei den Land­tags­wah­len: Ist die AfD Geschichte?

Jörg Meuthen und Björn Höcke. Foto: imago images /​ IPON

Die AfD musste bei den Land­tags­wah­len in Baden-Würt­tem­berg und Rhein­land-Pfalz erneut deut­li­che Ver­luste hin­neh­men. Damit bestä­tigt sich ein Trend in den Umfra­gen auf Bun­des­ebene. Ist der Höhen­flug der AfD vorbei?

Die AfD erzielte in Baden-Würt­tem­berg 9,7 Prozent (-5,4) und in Rhein­land-Pfalz 8,3 Prozent (-4,3). Umfra­gen zu den Wahl­mo­ti­ven zeigen, dass die AfD wei­ter­hin eine mono­the­ma­ti­sche Partei ist. Sie hat es nicht geschafft, über die Frage der Begren­zung von Zuwan­de­rung hinaus ein poli­ti­sches Profil zu ent­wi­ckeln. 83 Prozent der AfD-Wäh­le­rin­nen und Wähler in Baden-Würt­tem­berg sehen die Kom­pe­ten­zen ihrer Partei bei der Kri­mi­na­li­täts­be­kämp­fung, 81 Prozent in der Asyl- und Flücht­lings­po­li­tik. Man kann davon aus­ge­hen, dass die Wäh­ler­schaft der AfD die beiden Themen Kri­mi­na­li­tät und Zuwan­de­rung als einen weit­ge­hend mit­ein­an­der ver­knüpf­ten Komplex ansieht.

Corona spielt keine Rolle

Unter den AfD-Wählern stimm­ten in Rhein­land-Pfalz 99 Prozent und in Baden-Würt­tem­berg 91 Prozent der Aussage zu: „Finde es gut, dass sie den Zuzug von Aus­län­dern und Flücht­lin­gen begren­zen will“. Erstaun­li­cher­weise spielte das Thema Corona-Politik unter den AfD-Wählern in beiden Bun­des­län­dern keine Rolle – im Gegen­satz zu den Wählern der anderen Par­teien, wo die Bekämp­fung der Pan­de­mie zumin­dest als ein nach­ran­gi­ges Thema unter den Wahl­mo­ti­ven auftaucht.

Kon­ti­nu­ier­li­cher Abwärts­trend für die AfD

Seit 2015 ist das Thema Flücht­lings­po­li­tik wieder etwas in den Hin­ter­grund getre­ten. Es ist deshalb ver­ständ­lich, dass eine Partei, die sich derart auf dieses Thema fokus­siert, an Zustim­mung ver­liert. Dies zeigt sich sym­pto­ma­tisch an Wahl­er­geb­nis­sen der Partei in Baden-Würt­tem­berg, wo die Partei sich seit ihrem Rekord­ergeb­nis bei den Land­tags­wah­len 2015 auf der Höhe der Flücht­lings­krise bei den fol­gen­den Bundestags‑, Europa- und nun wieder Land­tags­wah­len in einem kon­ti­nu­ier­li­chen Abwärts­trend befindet.

Rechts­extreme Radi­ka­li­sie­rung wird zum Problem der AfD

Ein wei­te­res Problem der Partei ist ihre zuneh­mende Radi­ka­li­sie­rung. In Baden-Würt­tem­berg und in Rhein­land-Pfalz stimm­ten 80 Prozent der Wäh­le­rin­nen und Wähler der Aussage zu, die AfD distan­ziere sich nicht aus­rei­chend von rechts­extre­men Posi­tio­nen. 70 Prozent gaben in beiden Bun­des­län­dern an, sie emp­fän­den die Partei als unde­mo­kra­tisch und ver­fas­sungs­feind­lich. Hier wirkt offen­sicht­lich bereits das Verdikt des Bun­des­ver­fas­sungs­schut­zes. Der hatte die Partei Anfang März zum Ver­dachts­fall erklärt.

Beob­ach­tung durch den Ver­fas­sungs­schutz schadet im bür­ger­li­chen Lager

Die Beob­ach­tung durch den Ver­fas­sungs­schutz folgt der zuneh­men­den Kon­trolle der Partei durch den rechts­extre­men „Flügel“ um Rechts­au­ßen Björn Höcke. Auch wenn der „Flügel“ sich im ver­gan­ge­nen Jahr formell auf­löste, ist das Netz­werk wei­ter­hin ein­fluss­reich. Die Stra­te­gie von Björn Höcke und seinem Spin­dok­tor Götz Kubit­schek vom Insti­tut für Staats­po­li­tik, die Partei stärker völ­kisch aus­zu­rich­ten und klarer in Rich­tung einer Sys­tem­op­po­si­tion zu lenken, hat zu Ver­lus­ten von Wählern in bür­ger­li­chen Kreisen geführt. Die AfD ist durch die anti­de­mo­kra­ti­sche Radi­ka­li­sie­rung für ent­täuschte CDU-Wähler und wirt­schafts­li­be­rale Euro-Kri­ti­ker immer weniger wählbar gewor­den. Der Co-Vor­sit­zende der AfD, Jörg Meuthen, ver­suchte zwar zuletzt, durch einen par­tei­in­ter­nen Macht­kampf mit dem Flügel – etwa durch den Par­tei­aus­schluss des Höcke-Ver­trau­ten und ehe­ma­li­gen Bran­den­bur­ger Par­tei­vor­sit­zen­den Andreas Kalbitz – , die Beob­ach­tung durch den Ver­fas­sungs­schutz abzu­wen­den. Bislang muss sein Kurs aber als geschei­tert gelten.

AfD als Anti-Eliten-Partei

Ist die AfD deshalb nun Geschichte? Solch eine Schluss­fol­ge­rung wäre ver­früht. 10 Prozent bei den Land­tags­wah­len sind immer noch ein beacht­li­ches Ergeb­nis. In Baden-Würt­tem­berg liegt die Partei nahezu gleich auf mit der SPD und FDP. In Rhein­land-Pfalz liegt sie nur einen Pro­zent­punkt hinter den Grünen und deut­lich vor der FDP. Zudem eta­bliert sich die AfD zuneh­mend als Partei der kleinen Leute gegen „die da oben“. Das könnte auch bei der Bun­des­tags­wahl, bei der die Corona-Pan­de­mie mög­li­cher­weise eine größere Bedeu­tung spielen wird, aus­zah­len. Die Umfra­gen zu den Motiven der Quer­den­ker-Pro­teste haben deut­lich gezeigt, dass dies eine Anti-Eli­ten­be­we­gung ist. Die AfD könnte hier erfolg­reich andocken.

Soziale Fragen und Zustim­mung in der Arbeiterschaft

Denn eine weitere Kom­pe­tenz­zu­schrei­bung der AfD-Wähler für ihre Partei zeigt sich bei der Frage sozia­ler Gerech­tig­keit. In Baden-Würt­tem­berg sahen 57 Prozent der AfD-Wähler und in Rhein­land-Pfalz immer­hin 62 Prozent hier eine Kern­kom­pe­tenz ihrer Partei. In Baden-Würt­tem­berg ist die AfD die Partei der Arbei­ter. Mit 26 Prozent liegt sie in dieser Wäh­ler­gruppe noch vor der CDU (23 Prozent) und Grünen (20 Prozent). Die SPD, die hier mit 10 Prozent weit abge­schla­gen ist, konnte in Rhein­land-Pfalz vom Amts­bo­nus von Minis­ter­prä­si­den­tin Malu Dreyer (SPD) pro­fi­tie­ren. Sie gewann hier 36 der Arbei­ter­schaft für die Sozi­al­de­mo­kra­ten. Aber auch hier stellen die Arbei­ter die größte sozio­lo­gi­sche Gruppe inner­halb der AfD-Wäh­ler­schaft dar. 18 Prozent der Arbei­te­rin­nen und Arbei­ter ent­schie­den sich für die AfD.

Man muss mit er AfD weiter rechnen

Dass die AfD die Partei gegen die „abge­ho­bene Eliten“ ist, zeigt sich auch an der Zustim­mung von 90 Prozent ihrer Wähler in Rhein­land-Pfalz und 91 Prozent in Baden-Würt­tem­berg zu der Aussage, die AfD sei „näher an den Sorgen der Bürger als andere Par­teien“. Die Partei steht damit wie die Quer­den­ker sym­pto­ma­tisch für den Ver­trau­ens­ver­lust in Teilen der Bevöl­ke­rung, den demo­kra­ti­sche Par­teien und Insti­tu­tio­nen zu bekla­gen haben. Inso­fern wird man mit der AfD auch in Zukunft rechnen müssen. Mög­li­cher­weise wird sie auf Bun­des­ebene und in West­deutsch­land nicht die sys­tem­kri­ti­sche Rele­vanz errei­chen können, wie sie das in ost­deut­schen Land­ta­gen kann. Aber für die libe­rale Demo­kra­tie der Bun­des­re­pu­blik bleibt die AfD ein Mene­te­kel für einen Ver­trau­ens­ver­lust in das demo­kra­ti­sche System, den die poli­ti­schen Ver­ant­wort­li­chen nicht igno­rie­ren sollten und der bei kri­sen­haf­ten Ver­schär­fun­gen ein kri­ti­sches Ausmaß ent­wi­ckeln kann. Auch wenn die Pan­de­mie in diesem Jahr ein­ge­dämmt werden sollte, zeigt sich, dass die Zeichen der welt­wei­ten Ent­wick­lun­gen in einer glo­ba­li­sier­ten Welt nicht unbe­dingt auf Beru­hi­gung stehen.


Die zitier­ten und weiter Umfra­ge­er­geb­nisse von dimap finden Sie auf der Website der ARD Tages­schau.

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