Umweltschutz als Heimatschutz
Mit der Zeitschrift „Die Kehre“ will die Neue Rechte Antworten auf die ökologischen Fragen unserer Zeit liefern. Wenig überraschend bedient sie dabei vor allem autoritäre Sehnsüchte.
„Im Wesen der Gefahr verbirgt sich […] die Möglichkeit einer Kehre […]“. Mit der namensgebenden Referenz auf dieses auf der Rückseite gedruckte und durch Auslassungen seinem Sinn weitestgehend beraubte Zitat von Martin Heidegger ist vor einigen Wochen ein neues Zeitschriftenprojekt der Neuen Rechten an den Start gegangen: Die Kehre – Zeitschrift für Naturschutz. Chefredakteur des Periodikums ist Jonas Schick, der früher bei der Jungen Alternative und der Identitären Bewegung aktiv war und seit 2019 regelmäßig für Götz Kubitscheks Zeitschrift Sezession schreibt. Die Kehre verspricht eine „ganzheitliche Perspektive auf die Ökologie“ und definiert deren „ursprüngliche Bedeutung“ als „eine Lehre von der gesamten Umwelt […], die Kulturlandschaften, Riten und Brauchtum, also auch Haus und Hof (Oikos) als ihren Namensgeber einschließt“. [1]
Ein neues rechtsökologisches Publikationsorgan hatte sich abgezeichnet: Im April 2019 schrieb Jonas Schick in der Sezession, es bedürfe „Antworten auf die systemimmanente Instabilität des Liberalismus, die über den Themenkomplex der Nation und Migration hinausgehen“. [2] Künftig komme es darauf an, „die Thematik der Energienutzung und ihrer gesellschaftlichen Auswirkungen weiter zu verfolgen sowie die damit verbundene Positionierung zur ökologischen Frage den ihr in der Neuen Rechten zustehenden Raum zu verschaffen“. [3] Mit der Einstellung der völkischen Ökologie-Zeitschrift Umwelt & Aktiv Anfang dieses Jahres war schließlich eine Lücke entstanden, welche Die Kehre offenbar auszufüllen gedenkt. Einen prominenten Leser hat das Magazin bereits: Der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke posiert für einen Facebook-Beitrag mit der Zeitschrift, wünscht ihr eine „gesunde Entwicklung“ und schreibt: „Heimatliebe und Naturschutz sind zwei Seiten einer Medaille.“
Rechte Ökologie hat Tradition
Die Ökologie gehörte in den vergangenen Jahren nicht zu den Kernthemen der Neuen Rechten. Ihren Bedeutungsgewinn verdankt sie eher der geschickten Platzierung von Begriffen wie Volk, Heimat und Tradition während der gesellschaftlichen Diskussionen um die Flüchtlingsbewegungen nach Europa. Wer jedoch glaubt, die Neue Rechte der Diskurspiraterie überführen zu können, weil sie mit dem Aufgreifen der ökologischen Frage bloß strategisch auf die globale Fridays for Future-Bewegung oder die anhaltenden Zustimmungswerte für die Grünen reagiere, unterliegt einem Irrglauben, demzufolge Ökologie grundsätzlich „links“ sei.
Gerade in seiner Entstehungszeit war der Naturschutz durch einen reaktionären Antimodernismus geprägt. Naturschützer glorifizierten die „bodenständige“ und „authentische“ bäuerliche Welt. Sie beklagten, „dass Industrie und Kapitalismus die Landschaft zerstörten und zogen gegen hässliche Gebäude und Reklame in der Landschaft zu Felde“. [4] Später wurde der Naturschutz auch von Völkischen und Nationalsozialisten aufgegriffen: „Man ging davon aus, dass Natur und Landschaft die Gesundheit der Bevölkerung beeinflussten; alles hänge mit allem zusammen. Konkret hieß das: Volk und Land bildeten eine organische Einheit. Diese sei gestört, wenn die Landschaft künstlich verändert werde. Ein gesundes Volk bedürfe einer gesunden Landschaft. Dabei hieß ‚gesund‘ nicht so sehr frei von Beschwerden, sondern vital, kräftig und am besten: allen anderen Völkern überlegen.“ [5] Ein spezifischer Naturschutzgedanke ist mithin tief im völkischen Weltbild verankert.
Auch die die bundesrepublikanische Rechte hatte sich des Themas immer wieder angenommen. Thomas Jahn und Peter Wehling zufolge hätten seit den 1970er Jahren „fast alle rechtsradikalen Gruppierungen in der Bundesrepublik – von der Neuen Rechten bis zur NPD – Umweltschutzthemen verstärkt aufgenommen und in ihre politische Programmatik einfließen lassen“. [6] Zwar sei die rechte Ökologie „kein einheitlicher, in sich geschlossener theoretisch-ideologischer Entwurf“, dennoch ließen sich einige „spezifische rechtsökologische Stereotype“ identifizieren. [7] Dazu gehörten „eine grundlegende Naturalisierung gesellschaftlicher und politischer Zusammenhänge“ und „die Rede von der ‚Entfremdung‘ des Menschen von Heimat, Volk und nationaler Kultur als Ursache ökologischer Zerstörungen“ ebenso wie „der Verweis auf die ‚Überbevölkerung‘“ und „der Ruf nach dem ‚starken Staat‘ als dem Garanten des (ökologischen) ‚Gemeinwohls‘“. [8]
Technikkritik und Antimodernismus
Diese bereits 1990 analysierten „rechtsökologischen Stereotype“ behalten auch heute noch ihre Gültigkeit, wie ein Blick in Die Kehre zeigt. Aus nahezu jeder Zeile springt dem Leser eine ressentimentgeladene Technikkritik und die tiefsitzende Abneigung gegenüber der Moderne ins Auge. Ein zentrales Thema in der ersten Ausgabe der Kehre ist die erneuerbare Energie, speziell die Windkraft. In diesem Bereich wähnt man offenbar eine Mehrheit hinter sich: Von einer „geringeren Akzeptanz durch den Bürger“ ist etwa die Rede – obwohl empirische Untersuchungen gezeigt haben, dass 82% der deutschen Bevölkerung der Nutzung und dem Ausbau der Windenergie positiv gegenüberstehen. [9] Es ist jedoch nicht untypisch für die Neue Rechte, dass die eigenen Positionen bewusst mit dem als homogen konstruierten „Volkswillen“ verwechselt werden.
Wiederholt werden in der ersten Ausgabe der Kehre Windkrafträder als „Verspargelung der Natur“ [10] bzw. als „Verspargelung unserer Landschaft“ [11] abgelehnt. Mit „gigantischen Windparks“ seien „die Landschaften ihrer Würde beraubt“ worden. [12] Die Technologien regenerativer Energieerzeugung hätten „uns nun endgültig in eine Techniklandschaft katapultiert, die keinen Raum mehr zum freien Atmen läßt“. [13] An Theatralik mangelt es der neurechten Öko-Zeitschrift nicht.
Zu den Autoren der ersten Ausgabe gehört auch Michael Beleites, der in der DDR-Umweltbewegung aktiv war und seit einigen Jahren Anschluss im neurechten Lager gefunden hat. Die Frage, ob der CO2-Anstieg menschengemacht sei, sei zu einer Bekenntnisfrage geworden, so Beleites. „Wo Bekenntnisfragen gestellt werden, geht es darum, Menschen zu selektieren, das Volk zu spalten.“ [14] Er nennt diese „Spaltung der Gesellschaft“ einen „Kulturkampf“, sieht gar „Züge einer Vorstufe zum Bürgerkrieg“. [15] Beleites möchte aber nicht über „Bekenntnisfragen“ reden, sondern über die „gesellschaftszersetzende Wirkung eines zu hohen Energieverbrauchs“. [16] Er wirft die Frage auf, „wie eine menschliche Gesellschaft verfaßt sein muß, damit sich der Mensch auf eine ebenso natur- wie menschengemäße Weise in die Natur eingliedern kann“. [17] Praktischerweise liefert er eine Antwort gleich mit: Es zähle „schlicht zur Conditio humana, zu den Bedingungen des Menschen, unseren Energieverbrauch zu begrenzen“. [18] Ein Ende der Klimaerwärmung könne nur herbeigeführt werden, „wenn uns eine generelle Abkehr von der wettbewerbsgetriebenen Wachstumsdynamik gelingt“. [19] Und: „Es geht um Regionalisierung statt Globalisierung!“ [20]
Beleites möchte Globalisierung und Moderne aufhalten, wenn nicht gar umkehren. Die Menschen erscheinen als Störenfriede, die – durch die Industrialisierung und die damit einhergehenden gestiegenen Lebensstandards – über die Stränge geschlagen hätten. Statt über umweltverträglichere Formen der Energiegewinnung nachzudenken, werden eine „Kultur der Versorgungssouveränität (Subsistenz) und Wiederverländlichung (Reruralisierung)“ [21] angestrebt und vorindustrielle Lebensverhältnisse romantisiert. In dieser autoritären Spielart verkommt die menschliche Zivilisation zu einem „Subsystem des Ökosystems“, ökologische Politik gleicht einer „Exekution von Naturgesetzen“. [22]
Der Mythos von der Überbevölkerung
Wo der angeblich maßlose Energieverbrauch der Menschheit gegeißelt wird, ist der Schritt nicht weit, die menschliche Existenz per se als Belastung für die Umwelt zu problematisieren. In einem Artikel von Lotta Bergmann heißt es, die „globale Bevölkerungsexplosion“ sei „leider ein Tabuthema, aber gleichwohl die entscheidende Ursache der Umweltkrise auf unserem Planeten“. [23] Versehen ist diese Aussage mit einem Verweis auf einen Text auf der Website Recherche Dresden, einer neurechten „Denkfabrik für Wirtschaftskultur“. Dort heißt es: „Die Überbevölkerung ist die Mutter aller Umweltprobleme.“ Die Weltbevölkerung müsse „auf einem niedrigeren Niveau stabilisiert werden – andernfalls droht ein irreversibler Öko-Kollaps“. [24]
Um die Weltbevölkerung zu dezimieren, müsse die Bundesrepublik Deutschland ihre Migrationspolitik ändern: „Laut der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung wächst Afrika wöchentlich um 1,2 Millionen Menschen. Was die Bundesrepublik seit Herbst 2015 an Migranten aufgenommen hat, ist dort innerhalb von zehn Tagen nachgeboren. Solange Afrika seinen Menschenüberschuß nach außen ableiten kann, ist ein Ende der Bevölkerungsexplosion nicht zu erwarten. Versiegen die Migrationsrouten – insbesondere nach Europa – werden die afrikanischen Staaten über kurz oder lang zur Anpassung gezwungen.“ [25]
Dieser Mix aus Rassismus, Sozialdarwinismus und Malthusianismus – gepaart mit Kulturpessimismus, Technikkritik und Antimodernismus – erweist sich als Quintessenz neurechter Naturschutzpolitiken. Der ökologischen Krise begegnet die Neue Rechte mit einem Programm, das Askese im Inneren und Abschottung sowie bevölkerungspolitische Regulationen im Außen verlangt. „Wirksame Emissions‑, Ressourcen- und Umweltpolitik kann keine Politik der Gleichheit sein“, schrieb der Identitäre Till-Lucas Wessels vergangenes Jahr bei Sezession im Netz. Es sei nötig, „Maßnahmen der Bevölkerungsregulierung als Lösung für das Problem der Überbevölkerung anzuerkennen“. [26]
Gefahren einer Ökologie von rechts
Wenn eine kulturpessimistische Endzeitstimmung mit bevölkerungsregulatorischen Phantasien zusammentrifft, wird es gefährlich: In der Konsequenz bedeutet dies die Forderung nach einer antidemokratischen und menschenfeindlichen Politik, die entweder durch autoritäre Staaten oder durch sich selbst ermächtigende und losschlagende Öko-Terroristen vollzogen wird. Wenig bekannt ist etwa, dass der Christchurch-Attentäter Brenton Tarrant, der – auch das sollte nicht in Vergessenheit geraten – den führenden Kopf der österreichischen Identitären mit einer Spende bedacht hatte, sich in seinem Manifest als „ethnonationalistischen Öko-Faschisten“ bezeichnete und argumentierte, „die Ermordung von Muslimen sei nötig, um die Überbevölkerung der Welt durch Muslime zu verhindern und dadurch die Umwelt zu schützen“. [27]
Die ökologische Frage dient der Neuen Rechten als Vehikel für den autoritären Umbau der liberalen Gesellschaft. Aus dem neurechten Lager wird die (in der Tat äußerst diskussionsbedürftige) Individualisierung der ökologischen Frage (weniger Fliegen, weniger Fleischkonsum, Tempolimit etc.) gerne als bevormundender Angriff auf bürgerliche Freiheiten abgewehrt – dabei stellen die bio- und bevölkerungspolitischen Ambitionen und die – zu Ende gedacht – damit einhergehenden autoritären Sehnsüchte der Neuen Rechten alle als „grüne Verbotspolitik“ geschmähten Vorschläge in den Schatten.
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Fußnoten
[1] Jonas Schick (2020): Editorial. In: Die Kehre. Zeitschrift für Naturschutz, Nr. 1, S. 1.
[2] Jonas Schick (2019): Energie und Moderne – vorletztes Kapitel. In: Sezession, Nr. 89, S. 41.
[3] Ebd.
[4] Jens Ivo Engels (2015): Wie grün waren die Nazis? Online unter: https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/211921/wie-gruen-waren-die-nazis
[5] Ebd.
[6] Thomas Jahn/Peter Wehling (1990): Ökologie von rechts. Nationalismus und Umweltschutz bei der Neuen Rechten und den „Republikanern“. Frankfurt a.M., S. 12f.
[7] Ebd., S. 14.
[8] Ebd.
[9] Fachagentur Windenergie an Land e.V. (2019): Umfrage zur Akzeptanz der Windenergie an Land Herbst 2019. Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zur Akzeptanz der Nutzung und des Ausbaus der Windenergie an Land in Deutschland. Online unter: https://www.fachagentur-windenergie.de/fileadmin/files/Veroeffentlichungen/FA_Wind_Umfrageergebnisse_2019.pdf
[10] Jonas Schick (2020): Landschaftsarbeiten I: Spuren der Energienutzung. In: Die Kehre. Zeitschrift für Naturschutz, Nr. 1, S. 22.
[11] Lotta Bergmann (2020): Im Schatten der Windkraft stirbt der Artenschutz. In: Die Kehre. Zeitschrift für Naturschutz, Nr. 1, S. 28.
[12] Michael Beleites (2020): Die menschengemachte Überhitzung. Zur Entropie der Industriegesellschaft. In: Die Kehre. Zeitschrift für Naturschutz, Nr. 1, S. 12.
[13] Jonas Schick (2020): Landschaftsarbeiten I: Spuren der Energienutzung. In: Die Kehre. Zeitschrift für Naturschutz, Nr. 1, S. 25.
[14] Michael Beleites (2020): Die menschengemachte Überhitzung. Zur Entropie der Industriegesellschaft. In: Die Kehre. Zeitschrift für Naturschutz, Nr. 1, S. 7.
[15] Ebd.
[16] Ebd., S. 8.
[17] Ebd., S. 9.
[18] Ebd.
[19] Ebd., S. 11.
[20] Ebd., S. 13.
[21] Ebd.
[22] Ralf Fücks (2017): Freiheit verteidigen. Wie wir den Kampf um die offene Gesellschaft gewinnen. München, S. 173.
[23] Lotta Bergmann (2020): Im Schatten der Windkraft stirbt der Artenschutz. In: Die Kehre. Zeitschrift für Naturschutz, Nr. 1, S. 33.
[24] Recherche Dresden (2019): Sieben Thesen für eine konservativ-ökologische Wende. Online unter: https://recherche-dresden.de/sieben-thesen-fuer-eine-konservativ-oekologische-wende/
[25] Ebd.
[26] Till-Lucas Wessels (2019): Sonntagsheld (122) – Alle Wetter! Online unter: https://sezession.de/61628/sonntagsheld-122-alle-wetter
[27] Matthias Quent (2019): Deutschland rechts außen. Wie die Rechten nach der Macht greifen und wie wir sie stoppen können. München, S. 274.