Gegner schaffen, wo keine sind

Eine Replik zu Michael Bittners Artikel „Biologismus und Zivilisationskritik“.
Vorbemerkung der Redaktion
Wir veröffentlichen hier der Fairness halber eine Replik von Michael Beleites auf die Kritik von Michael Bittner, die unter dem Titel „Biologismus und Zivilisationskritik“ auf dieser Seite veröffentlicht wurde. Wir überlassen es der geneigten Leserin (und dem Leser), sich selbst ein Urteil zu dieser Kontroverse zu bilden.
Nur zwei Klarstellungen: Bei aller gebotenen Schärfe der Auseinandersetzung war und ist es nicht unsere Intention, die wirtschaftliche Existenz von Michael Beleites zu gefährden. Boykottaufrufe gegen ihn und seinen Familienbetrieb sind nicht in unserem Sinn. Gleichzeitig verwahren wir uns gegen den Vorwurf, LibMod bzw. Michael Bittner würden „Stasi-Methoden“ praktizieren. Wer die Stasi erlebt hat, sollte sich nicht hinter Stasi-Vorwürfen verstecken, um inhaltliche Kritik abzuwehren. Beleites sollte sich vielmehr fragen, weshalb seine Thesen in der „Neuen Rechten“ auf so viel Resonanz stoßen.
Es fällt schwer, auf eine sinnentstellende und polemische Verleumdung sachlich zu antworten. Ich will es dennoch versuchen. Zunächst zu den mir untergeschobenen Denkmustern.
Biologismus
Als Biologismus werden Anschauungen bezeichnet, die evolutions- oder verhaltensbiologische Theoreme zu allgemeinen ethischen oder historischen Maximen umdeuten bzw. zu normativen Grundlagen für die menschliche Gesellschaft erklären. Ich bin mir darüber im Klaren, dass sich biologische Theorien im Laufe des wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts oft als falsch erwiesen haben und durch neue ersetzt wurden, die durch wieder neue Erkenntnisse abermals widerlegt werden können. Solange man das darwinistische „Fressen-oder-gefressen-Werden“ als das Grundgesetz des Lebens ansieht, ist es aus meiner Sicht zweifellos richtig, das soziale Leben vor den Irrtümern der Naturwissenschaft zu schützen.
Dennoch halte ich den Anspruch für legitim, ein Weltbild anzustreben, in dem das Natürliche und das Menschliche widerspruchsfrei miteinander verknüpft werden können. Es könnte ja auch sein, dass, solange Naturwissenschaft und Sozialwissenschaft unvereinbar sind, auf einer Seite – oder auf beiden Seiten – etwas nicht stimmt. Das bedeutet freilich keinesfalls, alle möglichen Naturphänomene, wie z. B. Raubtierverhalten oder Parasitentum, als Maßstab für das menschliche Zusammenleben heranzuziehen, sondern umgekehrt: In einer Analyse der allgemeinen Naturzusammenhänge die menschliche Bestimmung zu erkennen und das spezifisch Menschengemäße zu finden.
Solange wir es als normal betrachten, dass der Mensch außerhalb der Naturgesetze steht, werden wir auch nichts Wesentliches zu einer Heilung des gestörten Mensch-Natur-Verhältnisses beitragen können. Und eine Gesundung unserer Naturbeziehung ist durchaus mit der (auch von mir geteilten) Erkenntnis vereinbar, dass der Mensch ein Kulturwesen ist. Wenn ich kritisiere, dass der Kapitalismus unter Verweis auf die darwinistische Theorie als eine quasi natürliche Werteordnung angesehen wird, ist ja gerade dies eine Stellungnahme gegen biologistisches Denken. Der Satz, „Beleites lehnt nicht die Vorstellung ab, die Biologie schreibe den Menschen eine bestimmte Lebensart als naturgemäß vor. Er bejaht diesen Biologismus“ – ist eine Falschbehauptung.
Zudem ist mein Streben nach Naturerkenntnis ein Suchendes und weit davon entfernt, absolute Gewissheiten zu postulieren. Da gilt für mich das Motto des Biologen Jakob von Uexküll (1864–1944): „Nichtwissen ist besser als Falschwissen.“
Rassismus
Als Rassismus bezeichnet man Haltungen oder Handlungen, die von einer Ungleichwertigkeit verschiedener geographischer Formen des Menschen ausgehen und andere Rassen, bzw. Menschen aufgrund entsprechender Merkmale, wie ihrer Hautfarbe, absichtsvoll diskreditieren bzw. diskriminieren. Die Anerkennung der biologischen Tatsache, dass es auch beim Menschen eine geographische Rassenvielfalt gibt, ist solange nicht rassistisch, wie man
a) das darwinistische Postulat von einem Existenzkampf zwischen Rassen derselben Art verwirft,
b) davon ausgeht, dass alle Menschen prinzipiell gleichwertig und gleichwürdig sind und
c) von niemandem verlangt, sich einer bestimmten Rasse zuzuordnen (weil es zur Natur der geographischen Rassen gehört, dass es fließende Übergänge gibt).
Das Sprechen über geographische Rassen beim Menschen als solches als rassistisch einzustufen, ist eine sachlich unzulässige Überdehnung des Rassismus-Begriffs.
Aus meiner Auseinandersetzung mit dem Werk des Biologen und Theologen Otto Kleinschmidt (1870–1954) kommt die Erkenntnis, auch und gerade unter Beachtung tiergeographischer Befunde, die darwinistische Lehre von der züchterischen Funktion eines immerwährenden „Kampfes um‘s Dasein“ kritisch zu sehen.[1] Von dort her kommt meine Einsicht, auch unter Anerkennung der Tatsache, dass es geographische Formen (Rassen) gibt, den rassistischen Auffassungen von einem innerartlichen „Rassenkampf“ entschieden zu widersprechen. Die darwinistische Lehre von der „Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um’s Dasein“[2] lehne ich nicht deswegen ab, „weil“ sie als Rechtfertigung für das Wettbewerbssystem dient, sondern weil die Übertragung einer „künstlichen Zuchtwahl“ von Domestikationsformen (Zuchtrassen) in Gefangenschaft auf eine vermeintliche „natürliche Zuchtwahl“ von Wildformen in freier Natur aus meiner Sicht wissenschaftlich nicht haltbar ist.
Dass diese – antirassistischen – Positionen zur natürlichen geographischen Variation der Arten von der heute dominierenden, darwinistisch geprägten Biologie nicht als „wissenschaftlich“ anerkannt werden, nehme ich gern auf mich. Was ich nicht auf mich nehme, ist, dass diese antirassistische Sicht deswegen (von Nichtbiologen) als „rassistisch“ eingestuft wird, weil ich – gerade wegen meiner im Kern antirassistischen Thesen – den Begriff der natürlichen geographischen Rassen nicht grundsätzlich vermeide.
Aus meiner Sicht liegt die Wurzel des Rassismus nicht in der Unterscheidung (gleichwertiger!) geographischer Rassen, sondern in der Verknüpfung dieser natürlichen Gegebenheiten mit darwinistischen und sozialdarwinistischen Denkmustern. Daher meine ich, dass man, sobald man erklärter maßen und eindeutig jenseits darwinistischer und sozialdarwinistischer Theoriegebäude steht, über geographische genetische Verschiedenheiten sprechen und diese als natürliche geographische Rassen benennen kann, ohne dabei rassistischen Haltungen Vorschub zu leisten.
Die Behauptung, ich hätte Positionen des Rassentheoretikers Joseph Arthur de Gobineau wörtlich übernommen, sind frei erfunden und eine bösartige Unterstellung. An keiner Stelle habe ich Arthur de Gobineau irgendwo erwähnt oder zitiert. Michael Bittner behauptet in seiner Fußnote 25: „Von ‚Rassenmischung‘ spricht Beleites in Umweltresonanz, S. 604, von ‚Degeneration‘ als übler Folge urban-kosmopolitischer Lebensweise an unzähligen Stellen.“ Wahr ist, dass ich an der genannten Stelle den Satz geschrieben habe: „In der Natur ist Rassenmischung in allen Kontaktgebieten geographischer Formen ein völlig natürlicher Prozess und auch Tiere haben oft ohne Zutun des Menschen ihre Areale verschoben, so dass das heutige Verbreitungsgebiet einer geographischen Rasse nicht immer mit ihrem Entstehungsgebiet identisch ist.“ Ich habe verschiedentlich darauf aufmerksam gemacht, dass eine milieubedingt gestörte Umweltresonanz degenerative Effekte haben kann. Aber ich habe an keiner einzigen Stelle Degeneration als „üble Folge urban-kosmopolitischer Lebensweise“ bezeichnet.
Ebenso infam ist die Behauptung, in meinen Texten finde sich eine „Rechtfertigung der Rassentrennung“. Der Begriff „Rassentrennung“ steht für rassistische Apartheid. Wenn ich auf die Vorteile des Zusammenpassens von geographischer genetischer Konstitution mit den jeweiligen geographischen Klimaverhältnissen aufmerksam gemacht habe, bedeutet das nicht, dass ich rassistische Apartheid gutheißen würde. Und wenn ich darauf verwiesen habe, dass die in nahezu allen Völkern vorhandene Abneigung gegen Überfremdung auch berechtigte Seiten hat, so hat auch dies mit einer „Rechtfertigung der Rassentrennung“ nicht das Geringste zu tun.
Meine Überlegung, die geographische Rassenvielfalt des Menschen auch als ein kostbares Naturerbe anzusehen, in der Weise umzudeuten, ich wolle einen „Kampf um Rassenreinheit mithin zum Zweig des Naturschutzes“ machen, ist eine rufschädigende Verleumdung.
Antisemitismus
Der sozial tödliche Antisemitismus-Vorwurf wird in Michael Bittners Text nur indirekt benutzt, aber er wird gegen mich verwendet: Seine Behauptung, ich würde in meiner Skepsis gegenüber der mit der Globalisierung einhergehenden Auflösung der Bindungen zwischen Mensch und Natur „die traditionell völkische Verdammung von kosmopolitischen Lebensformen“ imitieren, ist grotesk. Dann der Satz: „Auch die damit obligatorisch verbundene Schuldzuweisung an die Adresse der ‚parasitären Strukturen des Finanzsystems‘ fehlt nicht.“
Es ist heute leider zu einem üblichen Argumentationsmuster geworden, die Kritik an parasitären Strukturen der Finanzwirtschaft als „strukturellen Antisemitismus“ zu bezeichnen. Das Problem hierbei ist nicht nur, dass so finanzkapitalistische Praktiken, die tatsächlich gesellschaftszersetzend sind, mit dem Totschlagargument des „Antisemitismus“ gegen Kritik immunisiert werden. Das Ungeheuerliche besteht darin, dass hier der Umkehrschluss suggeriert wird, dass die jüdische Kultur prinzipiell parasitär veranlagt sei. Der Publizist Gerhard Hanloser schreibt hierzu: „[…] es ist bedenklich, wie schnell Kritiker des ‚strukturellen Antisemitismus‘ auf bloße Begriffe wie der Pawlowsche Hund reagieren und damit zeigen, wie sehr besonders Personen und Gruppen aus dem sich ‚antideutsch‘ nennenden Milieu selbst von antisemitisch grundierten Assoziationen getrieben werden.“[3]
Völkisches Denken
Den Begriff „völkisch“ vermeide ich bewusst. Und zwar wegen seiner historisch hochproblematischen Verwendung und dem damit verbundenen Bedeutungszusammenhang. In einigen Publikationen habe ich darauf hingewiesen, dass eine Verwendung des Begriffes „Volk“ keinesfalls „völkisch“ im herkömmlichen Sinne gemeint sein muss. Im Gegenteil: Meine Haltung, dass alle Menschen und alle Völker als prinzipiell gleichwertig und gleichwürdig zu achten sind, schließt eine Verwendung des Begriffes „Volk“ nicht aus.
Meine Position hierzu resultiert auch aus meinem Engagement gegen Uranbergbau. Seit 1992 war ich Teilnehmer beim World Uranium Hearing in Salzburg https://en.wikipedia.org/wiki/World_Uranium_Hearing und bei Folgeveranstaltungen – wo es darum ging, die Weltöffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass es vor allem kleine, naturverbundene Völker sind, die durch den Uranbergbau (für unsere Kernkraftwerke) bedroht werden. Mitveranstalterin war auch die Gesellschaft für bedrohte Völker https://www.gfbv.de/ – die gewiss nicht „völkisch“ ausgerichtet ist. Soviel zum sachlichen Hintergrund, wie und warum ich über Völker spreche.
Kulturpessimismus und Zivilisationsfeindschaft
Mein Plädoyer für bäuerliche Landwirtschaft, für regionale Versorgungssouveränität und für krisenfeste, resiliente Strukturen zielt darauf ab, unsere Kultur zu stabilisieren und hat nichts mit Kulturpessimismus zu tun. In meinen agrarpolitischen Publikationen habe ich stets für ein kooperatives Zusammenwirken zwischen Stadt und Land geworben. Zivilisationskritik ist seit je her ein Bestandteil der ökologischen Debatte. Sie als „Zivilisationsfeindschaft“ darzustellen, entstellt die damit gemeinten Inhalte.
Demokratiekritik
Mein Konzept einer organismischen Biologie betont die systemische Perspektive; es plädiert dafür, auch überindividuelle Systeme, wie Populationen oder Ökosysteme im Sinne von Organismen zu verstehen, deren Teile sich wie Organe zum Organismus verhalten. Mit der Betonung der kooperativen Aspekte verwerfe ich das darwinistische Modell, wonach auch Organe desselben Organismus (Zweige desselben Baums) oder Rassen derselben Art in einem gegenseitigen Verdrängungswettbewerb, im „Kampf ums Dasein“, stehen würden.
Michael Bittner schreibt dazu: „Eine solche Entwertung des Individuums zum Werkzeug höherer Zwecke ist mit einem demokratischen Menschenbild allerdings nicht vereinbar.“ Diese Behauptung unterstellt, dass a) eine Betonung des Kooperations- und Gemeinwohlaspekts die Individuen entwerten würde und b) die Idee des permanenten Daseinskampfes in der menschlichen Gesellschaft (nämlich der Sozialdarwinismus) Voraussetzung eines demokratischen Menschenbildes wäre – was beides nicht der Fall ist.
Dort, wo ich darauf verwiesen habe, dass unsere heutigen Gesellschaften über das Schicksal künftiger Generationen mitbestimmen, aber in unserem heutigen demokratischen System deren Interessen nicht angemessen repräsentiert werden, geht es mir um Reformen der Demokratie oder um freiheitliche Alternativen – aber erklärter maßen nicht um eine Anbahnung von totalitären, despotischen bzw. diktatorischen Alternativen!
Rechtsradikales Milieu
Michael Bittner meint: „Seit einigen Jahren ist Beleites im rechtsradikalen Milieu tätig.“ Dieser Satz unterstellt nicht nur, dass es sich bei meinen Kontakten ins rechte Lager um Verbindungen zu Rechtsradikalen handeln würde, sondern auch, dass ich für politisch radikale Gruppierungen „tätig“ sei, also selbst an radikalen bzw. extremistischen Projekten mitwirken würde.
Mehr als andere habe ich 1989/90 dafür investiert und riskiert, dass eine Diktatur auf gewaltfreie Weise überwunden wurde. Mehr als andere habe ich mich seither für die Aufarbeitung dieser Diktatur engagiert. Von 2000 bis 2010 habe ich zehn Jahre als Sächsischer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen an der historischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur mitgewirkt. Über meine Mitgliedschaften im Stiftungsrat der Sächsischen Gedenkstättenstiftung und im Kuratorium des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung war ich auch in die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Diktatur eingebunden. Vor diesem Erfahrungshintergrund weiß ich sehr wohl, was politischer Extremismus ist und was nicht. Zu der Frage, ob Personen oder Gruppen extremistisch sind, traue ich mir eine eigene Urteilsbildung zu. Vor allem halte ich es für bedenklich, unter Verweis auf Geheimdienstberichte mündigen Bürgern die Befähigung zu einer eigenen Urteilsbildung abzusprechen.
Ich habe ein pluralistisches Demokratieverständnis. Daher gehe ich davon aus, dass im demokratischen Spektrum eine politische Rechte, soweit sie nicht rechtsextrem ist, ebenso legitim ist, wie eine politische Linke, soweit diese nicht linksextrem ist. Ich stufe Menschen und Gruppierungen nicht als extremistisch ein, die
a) das Gewaltmonopol des Staates anerkennen und Selbstjustiz ablehnen,
b) das Grundgesetz respektieren und sich positiv auf unsere Verfassung beziehen sowie
c) Argumente politischer Gegner aktiv zur Kenntnis nehmen und auch jenseits des parlamentarischen Schlagabtauschs für substanzielle politische Gespräche mit Andersdenkenden zur Verfügung stehen.
Wenn ich von Akteuren aus dem rechten Lager dazu eingeladen werde, als Gastredner oder Gastautor ihnen gegenüber Positionen zu vertreten, die der klassischen rechten Ideologie entgegenstehen, dann gehe ich davon aus, dass es sich bei diesen Rechten nicht um Rechtsextreme handelt.
Mich jedoch nach der Kontaktschuld-Logik allein wegen der Kontakte zu Neuen Rechten als einen Rechtsextremisten hinzustellen, ist eine eindeutig extremistische Verfahrensweise. Wenn heute derjenige, der einmal bei Rechten schreibt, künftig nur noch bei Rechten schreiben darf, ist das vielmehr ein Indiz dafür, dass politischer Extremismus im linken bzw. pseudolinken Lager zu Hause ist.
Wer politisch unabhängig ist und inhaltliche Schnittmengen mit beiden politischen Lagern hat, merkt schnell, wo zuerst das Verbindende gesehen wird und wer zuerst das Trennende in den Vordergrund stellt, also auf Gegnerschaft aus ist. Und genau an dieser Frage, wie die politischen Strömungen mit unabhängigen Akteuren umgehen, die nur mit einem Teil ihrer politischen Agenda übereinstimmen, zeigt sich, ob sie extremistisch veranlagt sind oder nicht. So ist es mir z. B. nicht gelungen, einen Artikel über Vertrauenskrise, Vergebung und soziale Heilung in der links-grünen Tageszeitung taz unterzubringen, wohl aber in der rechtsintellektuellen Zeitschrift Tumult.
http://www.michael-beleites.de/Vita/Zeitschriftenbeitraege/2020–09-mb-ein-volk-tumult-39–43.pdf
Es war mir möglich, vor Neuen Rechten das organismische Prinzip zu skizzieren und mich dezidiert gegen sozialdarwinistische Ansichten auszusprechen,
http://www.michael-beleites.de/Vita/Zeitschriftenbeitraege/2018–01-mb-wettbew-naturgesetz.pdf
es war mir möglich, vor der AfD für eine konservative Ökologie einzutreten und für den Atomausstieg zu werben
https://m.facebook.com/peterfelserafd/videos/2515966155348454/
und es war mir möglich, in der rechten Umweltzeitschrift „Die Kehre“ die einseitige CO2-Fixierung der Klimadebatte zu kritisieren und für eine neue Kultur zu plädieren, die ein Weniger an Energie- und Ressourcenverbrauch mit einem Mehr an Lebensqualität zu verknüpfen weiß.
http://www.michael-beleites.de/Vita/Zeitschriftenbeitraege/2020–01-m-beleites-kehre.pdf
Warum wird dies von den Tugendwächtern des Gesinnungskorridors nicht gesehen? Man könnte das ja auch im Sinne eines „Wandels durch Annäherung“ würdigen. Geht es wirklich nur darum, jeden zum Gegner zu erklären, der mit den anderen spricht? Wem nützt es, wenn Rechte und Linke nur noch jeweils unter sich kommunizieren dürfen? Ist es nicht ein totalitäres Politikmuster, wenn gerade diejenigen, die versuchen, Gräben zu überbrücken, geächtet werden? Wie sollen Menschen, die tatsächlich extremistische Positionen vertreten, umgestimmt werden, wenn diejenigen, die sich mit ihnen argumentativ auseinandersetzen, aus der Gesellschaft ausgestoßen und den Extremisten zugeschoben werden? Ist es nicht eine unverantwortliche Verharmlosung der nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen und eine Demütigung ihrer Opfer, wenn heute regelmäßig Menschen öffentlich als Nazis bezeichnet werden, die keine sind? Wie soll überhaupt eine soziale Heilung angebahnt werden, wenn die eliminatorische (aussondernde) Denkungsart der Nationalsozialisten, wonach unsere Welt erst dann gut werde, wenn die anderen nicht mehr dazugehören, zur allgemeinen Tugend erhoben wird?
Fazit
Der Philosoph Leander Scholz schreibt in einem Aufsatz zur Paradoxie des globalen Liberalismus, dass „der Liberalismus niemals aus sich selbst heraus zu existieren vermag, sondern stets von einem Außen abhängig ist, gegen das sich das liberale Ideal aufrichten kann und dem es daher seine Stabilität verdankt.“[4] So verwundert es nicht, dass das Zentrum Liberale Moderne (LibMod) sich in besonderer Weise um Gegner sorgt und ein eigenes Projekt „Gegneranalyse“ https://gegneranalyse.de/ betreibt. Von Martin Heidegger über Thomas Mann und Ernst Niekisch bis zu Konrad Lorenz und Richard Wagner werden hier herausragende Denker als Gegner der liberalen Demokratie vorgeführt, die bislang im öffentlichen Bewusstsein gar nicht als solche wahrgenommen wurden. Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier möglichst gewichtige Personen als Gegner zu versammelt werden, um das Gewicht der Liberalen Moderne zu erhöhen – die von ihren Gegnern abhängig scheint.
Jeder weiß, dass Ausgrenzung und Isolierung den Ausgegrenzten und Isolierten radikalisiert. Wer sowohl außen- als auch innenpolitisch die Methode der Ausgrenzung und Isolierung bevorzugt, will offenbar tatsächliche und vermeintliche Gegner radikalisieren. Wer dies tut, gefährdet – im Äußeren wie im Inneren – den Frieden. Sollte es tatsächlich so sein, dass der Liberalismus (wie der Kommunismus) ein Leben im permanenten Kampfmodus anstrebt; also wütende Gegner braucht und immer wieder neu schafft, um sich selbst an ihnen aufrichten zu können? Das wären keine schönen Aussichten.
Was im Artikel von Michael Bittner über mich noch hinzu kommt: Es wird eine Person, die eigentlich den von LibMod genannten Zielen, wie der Verteidigung und Erneuerung der offenen Gesellschaft und der Kombination individueller Freiheit mit Demokratie, Weltoffenheit und kultureller Vielfalt, positiv gegenüber steht, zu einem Gegner, ja Feind dieser Ziele erklärt. Ich werde in verleumderischer Weise einer „völkischen Alternative“ zugeordnet, die „autoritäre Sehnsucht, rassistische Beschränktheit und Zivilisationsverachtung als Elemente naturgemäßer Existenz auszugeben versucht.“
Auf diese Weise erschaffen sich Michael Bittner und LibMod wieder einen Gegner, wo vorher keiner war. Sie nehmen es in Kauf, dass ein Mensch, der in der DDR – wegen seines Umweltengagements und seines Eintretens für die heute von LibMod vertretenen Werte – jahrelang von der Stasi mit „Zersetzungsmaßnahmen“ terrorisiert wurde, genau solches noch einmal erleben muss: Was in der Stasi-Richtlinie 1/76 „systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes“ und „systematische Organisierung beruflicher Mißerfolge“ hieß, kommt jetzt als Rufmord und berufliche Existenzvernichtung daher. Letzteres besorgen dann freilich andere. Wer will schon jemanden für Lehrveranstaltungen oder Vorträge engagieren, der von den Freunden der liberalen Demokratie wegen „rassistischer Beschränktheit“ an den Pranger gestellt ist?
Und um die wirtschaftliche Basis unseres familiären Gartenbaubetriebes zu ruinieren, treten anonym agierende Vollstrecker der radikalen Antifa und ihrer Verbündeten auf den Plan, die sich ebenfalls nur über Gegnerschaft und „Anti“ definieren. Diese sind insbesondere deswegen verfassungsfeindlich, weil sie das Gewaltmonopol des Staates ablehnen. Sie warten nur darauf, aus solchen Schmähartikeln, wie den bei LibMod präsentierten Text von Michael Bittner, ihre Zielvorgaben zu bekommen, um ihrerseits unbescholtene Menschen zu Nazis und Faschisten umzudefinieren, denen man dann keine Grundrechte mehr zuzubilligen braucht. Auch sie benötigen nichts dringender als Gegner, an denen sie sich aufrichten können – und müssen, weil ihnen eine eigene positive Identität fehlt. Diejenigen jedoch, die solchen extremistischen Gruppierungen die Feindbilder liefern und sie zur Selbstjustiz anstacheln, sind nicht minder verfassungsfeindlich ausgerichtet.
Lange war ich in der Demokratiebildung tätig. Anhand der in meinem Fall sehr anschaulichen Stasi-Dokumente habe ich insbesondere an Schulen und Hochschulen über die politische Verfolgungsmethode der „Zersetzungsmaßnahmen“, also über die jenseits der Strafprozessordnung verdeckt exekutierte politisch begründete Bestrafung, referiert. Ich habe aber auch darüber gesprochen, dass es mir 1990/91 gelungen ist, mit den für meine Verfolgung verantwortlichen Stasi-Offizieren ins Gespräch zu treten – und dann für mich formulieren konnte: Wer vergibt, tritt aus seiner Opferrolle heraus. Es war mir immer bewusst, dass Menschen veränderlich sind und jedem eine individuelle Reifung zugestanden werden muss.
Einer dieser früheren Stasi-Offiziere hat nach dem Erscheinen des Artikels die Parallelen zur damaligen politischen Verfolgung erkannt und im August 2020 an Michael Bittner geschrieben: „Sie bezeichnen Herrn Beleites darin u.a. als Pegidafreund, Ideengeber für Björn Höcke, völkischen Ökologen und Rassisten. Diese, ihre Einschätzung ist mehr als oberflächlich, einfach unwahr […] Suchen Sie das Gespräch mit ihm und sie werden selbst feststellen, dass Ihre Ausführungen nicht der Realität entsprechen.“ Von Michael Bittner bekam er zur Antwort: „Wenn Sie meinen Artikel gelesen haben, müssten Sie auch gesehen haben, dass ich detailliert nachweise, wo und wie Michael Beleites mit Vertretern von Pegida, AfD und Identitärer Bewegung zusammenarbeitet. […] Sie gehen in Ihrer Mail mit keinem Wort darauf ein, was Sie an diesen Nachweisen für falsch halten. Deswegen muss ich davon ausgehen, dass Sie Michael Beleites einfach mögen und nichts Schlechtes über ihn hören wollen. Das können Sie natürlich so handhaben, für eine sachliche Debatte ist ihr Einspruch dadurch aber ohne Belang.“ [5]
So erlebe ich nun seit der öffentlichen Präsentation dieses Artikels bei LibMod im Sommer 2020 eine politische Verfolgung, die in wesentlichen Bestandteilen den selbst erfahrenen Stasi-Repressionen entspricht und diese in ihren sozial isolierenden, die wirtschaftlichen Existenzgrundlagen ruinierenden und das familiäre Umfeld tyrannisierenden Folgewirkungen noch übertrifft.
War das vom Zentrum Liberale Moderne so beabsichtigt? Ist das gemeint mit der Verteidigung und Erneuerung der offenen Gesellschaft, die sich LibMod auf die Fahnen geschrieben hat?
Für uns alle gilt: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
[1] Vgl.: Beleites, Michael (2021): Ein antidarwinistischer Ornithologe: Otto Kleinschmidt zum 150. Geburtstag. Vogelwarte 58. 4/2020, S. 467–477. http://www.michael-beleites.de/Vita/Zeitschriftenbeitraege/2021–03-mb-kleinschmidt-vogelwarte-04–2020.pdf
[2] Darwin, Charles (1884): Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um’s Dasein. E. Schweizerbart’sche Verlagshandlung Stuttgart. (engl. Erstausgabe 1859) 578 S.
[3] https://www.anarchismus.at/gegen-den-kapitalismus/kapitalismuskritik/454-gerhard-hanloser-kapitalismuskritik-und-falsche-personalisierung (23.02.2020)
[4] Scholz, Leander (2010): Nach der Geschichte: Zur Paradoxie des globalen Liberalismus. Allgemeine Zeitschrift für Philosophie35.2/2010, S. 161–182.
[5] Nicht einen Nachweis dafür hat er erbracht.
