Bio­lo­gis­mus und Zivi­li­sa­ti­ons­kri­tik: Sym­pa­thien in der Neuen Rechten für das Denken von Michael Beleites

Michael Belei­tes. Foto: imago images /​ Robert Michael

Michael Belei­tes steht in der Tra­di­tion jener Strö­mung inner­halb der öko­lo­gi­schen Bewe­gung, die sich durch Bio­zen­tris­mus und eine fun­da­men­tale Kritik an Fort­schritt und tech­nisch-wis­sen­schaft­li­cher Zivi­li­sa­tion aus­zeich­net. In der Neuen Rechten stößt er damit auf Sympathie. 


Kritik von Michael Belei­tes und Brief­wech­sel mit Michael Bittner

Im Nach­gang zu diesem Artikel ist es zu einem Brief­wech­sel zwi­schen Michael Belei­tes und dem Ver­fas­ser dieses Textes gekom­men, der auf der Web­seite von Michael Bittner ver­öf­fent­licht ist. Michael Belei­tes hat darum gebeten, einen Hinweis auf seine Kritik an dem hier vor­lie­gen­den Text hin­zu­zu­fü­gen. Der Bitte kommen wir gern nach. Die Kritik von Michael Belei­tes am Text von Michael Bittner und dessen Antwort finden Sie auf der Web­seite des Autoren unter diesem Link.

Wei­ter­hin haben wir der Fair­ness halber Michael Belei­tes die Mög­lich­keit für eine Replik auf dieser Website ein­ge­räumt, die sie hier lesen können.

Wir bedau­ern, dass die theo­re­tisch-poli­ti­sche Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Denken von Michael Belei­tes inzwi­schen exis­tenz­be­dro­hende Folgen für dessen Gar­ten­bau­be­trieb nach sich zieht. Eine inhalt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Denken von Belei­tes muss möglich sein. Sie recht­fer­tigt jedoch keine Bedro­hung seiner wirt­schaft­li­chen Exis­tenz. Wir rufen dazu auf, die Aus­ein­an­der­set­zung auf inhalt­li­cher Ebene zu führen.


Als bei der rechten Pro­test­be­we­gung „Pegida“ in Dresden der Ruf „Wir sind das Volk!“ erschallte, bekun­dete dies auch den Anspruch der neuen Mon­tags­de­mons­tran­ten, in der Nach­folge der oppo­si­tio­nel­len Bür­ger­be­we­gung der DDR zu stehen. Inzwi­schen über­nimmt die Partei „Alter­na­tive für Deutsch­land“ mit Pla­kat­s­prü­chen wie „Voll­ende die Wende!“ diese Rolle. Auf nicht wenige ost­deut­sche Wäh­le­rin­nen und Wähler der AfD wirkt diese Insze­nie­rung über­zeu­gend, obwohl unter ihnen in gro­tes­kem Kon­trast dazu auch die DDR-Ost­al­gie blüht.

Gäbe es nicht einige frühere SED-Kri­ti­ker und Akteure der DDR-Oppo­si­tion, die inzwi­schen in die ideo­lo­gi­sche Nähe der AfD geraten sind, wäre dieser poli­ti­sche Erfolg der Neuen Rechten kaum möglich. Gele­gent­lich fällt im Rück­blick nun ein Ver­dacht auf die ganze Bür­ger­be­we­gung, gewiss zu Unrecht. Dass Men­schen, die zu Zeiten der DDR drang­sa­liert oder gar inhaf­tiert worden sind, eine Abnei­gung gegen alles, was wirk­lich oder ver­meint­lich sozia­lis­tisch ist, ent­wi­ckelt haben, ist psy­cho­lo­gisch ver­ständ­lich. Merk­wür­di­ger ist, dass einige von ihnen auch mit der west­li­chen, libe­ra­len Demo­kra­tie frem­deln, für die sie 1989/​90 selbst auf die Straße gegan­gen sind. Fast zwang­haft ergehen sie sich nun in Gleich­set­zun­gen von DDR und BRD.

Einen Ansatz zur Erklä­rung bietet die Beob­ach­tung, dass schon in der Oppo­si­tion der acht­zi­ger Jahre viele sich weder mit der DDR noch mit der BRD iden­ti­fi­zie­ren mochten und statt­des­sen von einem „Dritten Weg“ zwi­schen Sozia­lis­mus und Kapi­ta­lis­mus träum­ten. [1] Während inzwi­schen wohl die meisten ehe­ma­li­gen Oppo­si­tio­nel­len in der „sozia­len Markt­wirt­schaft“ diesen dritten Weg sehen, einige andere noch immer für einen „demo­kra­ti­schen Sozia­lis­mus“ kämpfen, gibt es eine dritte Gruppe, die den Lock­ru­fen des Natio­na­lis­mus erliegt. Dieser hatte – beson­ders in seinen Radi­kal­for­men Faschis­mus und Natio­nal­so­zia­lis­mus – ja eben­falls immer behaup­tet, er sei der gesuchte dritte Weg zwi­schen Kapi­ta­lis­mus und Kom­mu­nis­mus. [2]

Ein auf­schluss­rei­ches Bei­spiel bietet der Land­wirt und öko­lo­gi­sche Publi­zist Michael Belei­tes. In den acht­zi­ger Jahren hatte sich Belei­tes mit großem Mut in der Frie­dens- und Umwelt­be­we­gung der DDR enga­giert. [3] 1988 ver­öf­fent­lichte er mit Hilfe der evan­ge­li­schen Kirche die Schrift Pech­blende, in der er auf die ver­heim­lich­ten Gefah­ren des Uran­berg­baus der SDAG „Wismut“ hinwies. [4] Die Bro­schüre machte den jungen Umwelt­schüt­zer zum Haupt­ziel­ob­jekt der Staats­si­cher­heit. [5] 1989/​90 über­wachte er dann deren Auf­lö­sung als Mit­glied des Bür­ger­ko­mi­tees von Gera. Von 2000 bis 2010 amtierte er als Säch­si­scher Lan­des­be­auf­trag­ter für die Stasi-Unter­la­gen. In meh­re­ren Pro­jek­ten arbei­tete er mit Poli­ti­kern der Grünen zusam­men, die sich inzwi­schen jedoch von ihrem ehe­ma­li­gen Weg­ge­fähr­ten ver­ab­schie­det haben. [6]

Seit einigen Jahren ist Belei­tes im rechts­ra­di­ka­len Milieu tätig. 2015 ver­fasste er ein Vorwort zu der Pegida-Lob­schrift Spa­zier­gänge über den Hori­zont des Künst­lers und Feuil­le­to­nis­ten Sebas­tian Hennig. [7] Hennig half später als Gesprächs­part­ner dem AfD-Poli­ti­ker Björn Höcke, seine poli­ti­sche Bekennt­nis­schrift Nie zweimal in den­sel­ben Fluss abzu­fas­sen. [8] Belei­tes zählt auch zu den Gästen des rechts­in­tel­lek­tu­el­len Begeg­nungs­zen­trums „Kul­tur­haus Losch­witz“ in Dresden, in dem auch andere ost­deut­sche Rechts­ab­bie­ger wie Ange­lika Barbe, Siegmar Faust, Vera Lengs­feld, Hans-Joachim Maaz, Monika Maron, Uwe Tell­kamp und Arnold Vaatz ver­keh­ren. Jüngst schrieb Belei­tes den Leit­ar­ti­kel für die erste Ausgabe einer „Zeit­schrift für Natur­schutz“ namens „Die Kehre“, die Natur­freunde für rechte Ideo­lo­gie begeis­tern soll. [9] Die Wer­be­trom­mel für diese Neu­erschei­nung rührte wie­derum Björn Höcke.

Ange­sichts der Tat­sa­che, dass sowohl die west­li­chen als auch die sozia­lis­ti­schen Gesell­schaf­ten viel­fach vor Umwelt­pro­ble­men ver­sag­ten und ver­sa­gen, ist der Versuch durch­aus begreif­lich, im öko­lo­gi­schen Denken eine Alter­na­tive zum „kapitalistische[n] und kommunistische[n] Wachs­tums­wahn“ [10] zu suchen. Wieso aber geriet Michael Belei­tes auf diesem Weg ins Dickicht des völ­ki­schen Denkens? Eine Brücke von Grün zu Braun bietet tra­di­tio­nell der Sozi­al­dar­wi­nis­mus. Doch eben diesen lehnt Belei­tes aus­drück­lich ab. Bezeich­nend ist jedoch die Weise, in der dies geschieht: „Wenn der per­ma­nente Daseins­kampf aller gegen alle ein Natur­ge­setz wäre, dann wäre der Kapi­ta­lis­mus ein natur­ge­mä­ßes Sozial- und Wirt­schafts­sys­tem und eine quasi natür­li­che Wer­te­ord­nung. Doch das ist er nicht.“ [11] Belei­tes lehnt nicht die Vor­stel­lung ab, die Bio­lo­gie schreibe den Men­schen eine bestimmte Lebens­art als natur­ge­mäß vor. Er bejaht diesen Bio­lo­gis­mus. Die dar­wi­nis­ti­sche Lehre vom Kampf ums Dasein lehnt er ab, weil sie als Recht­fer­ti­gung für das „Wett­be­werbs­sys­tem“ [12] dient, das er für das Grund­übel der Gesell­schaft hält.

In seinem umfang­rei­chen Buch Umwelt­re­so­nanz. Grund­züge einer orga­nis­mi­schen Bio­lo­gie hat Belei­tes den Versuch unter­nom­men, die Evo­lu­ti­ons­theo­rie Darwins zu wider­le­gen. Das in Treu­en­briet­zen erschie­nene Werk hat es bislang noch nicht ver­mocht, die Evo­lu­ti­ons­bio­lo­gie zu revo­lu­tio­nie­ren. Das liegt womög­lich weniger an der Arro­ganz der Fach­welt, über die Belei­tes klagt, als daran, dass es sich um ein offen­kun­di­ges Produkt des Wunsch­den­kens handelt: Weil Belei­tes den Sozi­al­dar­wi­nis­mus ver­ab­scheut, aber den Bio­lo­gis­mus nicht auf­ge­ben will, kon­stru­iert er in einem Umkehr­fehl­schluss eine nicht-dar­wi­nis­ti­sche Bio­lo­gie, die einer har­mo­ni­schen, koope­ra­ti­ven Gesell­schaft die nor­ma­tive Grund­lage geben soll. Nach dieser Lehre geschieht die Ein­pas­sung der Arten in ihre Umwelt nicht durch den Mecha­nis­mus von Muta­tion und natür­li­cher Selek­tion, sondern durch eine „Umwelt­re­so­nanz“ zwi­schen Lebe­we­sen und Umge­bung, die auf der Ver­er­bung erwor­be­ner Eigen­schaf­ten und einer „von oben nach unten wir­ken­den Kau­sa­li­tät“ [13] beruht.

Auch ein nicht-dar­wi­nis­ti­scher Bio­lo­gis­mus hat jedoch seine Tücken und Abgründe. Belei­tes‘ „orga­nis­mi­sche Bio­lo­gie“ ist tat­säch­lich eine Rück­kehr zur roman­ti­schen Natur­phi­lo­so­phie, die den Kosmos von Ordnung und Sinn durch­wal­tet sieht. Eine solche spi­ri­tu­elle Welt­an­schau­ung erlaubt es, den „Zau­ber­stab der Ana­lo­gie“ [14] groß­zü­gig zu gebrau­chen. Belei­tes begreift nicht nur Lebe­we­sen, sondern auch „über­in­di­vi­du­elle Ein­hei­ten“ wie „Popu­la­tio­nen“ und „Öko­sys­teme“, ja sogar die ganze Erde als „Orga­nis­mus“, dessen Teile nicht kämpfen, sondern zusam­men­wir­ken, um das Ganze zu repro­du­zie­ren. [15] Eine solche Ent­wer­tung des Indi­vi­du­ums zum Werk­zeug höherer Zwecke ist mit einem demo­kra­ti­schen Men­schen­bild aller­dings nicht ver­ein­bar. Statt­des­sen führt Belei­tes denn auch „Bie­nen­volk“ und „Amei­sen­staat“ als alter­na­tive Bei­spiele orga­ni­scher und har­mo­ni­scher Lebens­ge­mein­schaf­ten an. [16]

Nicht weniger fatal wirkt sich die Über­tra­gung der Lehre von der „Umwelt­re­so­nanz“ auf die Sphäre der mensch­li­chen Gesell­schaft aus. Da Belei­tes an die natur­wüch­sige Ver­knüp­fung aller Lebe­we­sen mit ihrer Umge­bung glaubt, muss er die moderne Mobi­li­tät der Men­schen verdammen:

„Fast alles, was das ‚Zeit­al­ter der Glo­ba­li­sie­rung‘ kenn­zeich­net, resul­tiert aus einer all­ge­mei­nen Auf­lö­sung der Bin­dun­gen des Men­schen an die Rea­li­tä­ten unserer Erde. Da die boden­lose Gesell­schaft igno­riert, dass die Mensch­heit in dem Sinne ein Teil der Erde ist, wie ein Organ ein Teil des Orga­nis­mus ist, ist sie eine selbst­mör­de­ri­sche Gesell­schaft.“ [17]

Belei­tes imi­tiert in solchen Tiraden die tra­di­tio­nell völ­ki­sche Ver­dam­mung von kos­mo­po­li­ti­schen Lebens­for­men. Auch die damit obli­ga­to­risch ver­bun­dene Schuld­zu­wei­sung an die Adresse der „para­si­tä­ren Struk­tu­ren des Finanz­sys­tems“ [18] fehlt nicht. (Als kon­se­quen­ter Bio­lo­gist dürfte er an Para­si­ten eigent­lich nichts aus­zu­set­zen haben, gibt es sie doch auch in der Natur.) Die Pri­vat­bio­lo­gie dient darüber hinaus auch zur Recht­fer­ti­gung der Rassentrennung:

„So oft auch von kul­tu­rel­ler oder gene­ti­scher Viel­falt gespro­chen wird, die boden­lose Gesell­schaft unserer Tage ist auf eine Nivel­lie­rung aus. […] [D]ie glo­ba­li­sierte Welt begüns­tigt nicht nur eine Auf­lö­sung der geo­gra­phi­schen Rassen, sondern sie will diese aus­drück­lich. Wer die Iden­ti­tät einer geo­gra­phi­schen Rasse oder Ras­sen­gruppe als einen Wert ansieht, wird oft als ‚Rassist‘ geäch­tet. Die all­ge­meine Negie­rung der bio­lo­gi­schen Tat­sa­che geo­gra­phi­scher Men­schen­ras­sen kann zwar den ein­zel­nen vor ras­sis­ti­scher Dis­kri­mi­nie­rung schüt­zen, aber sie kann und will nichts mehr tun, wenn eine ganze Rasse oder Ras­sen­gruppe ins­ge­samt in ihrer Exis­tenz bedroht ist.“ [19]

Die „Ras­sen­viel­falt“ wird zum „kostbare[n] Natur­erbe“ [20] erklärt – der Kampf um Ras­sen­rein­heit mithin zum Zweig des Natur­schut­zes. Diese Argu­men­ta­tion ist selbst nach Belei­tes‘ eigener Theorie unsin­nig: Die „Umwelt­re­so­nanz“ müsste ja dafür sorgen, dass fremde Indi­vi­duen an einem neuen Ort nach einer Weile die nötige Ein­pas­sung erwer­ben. Auch Belei­tes‘ Furcht vor einer kom­men­den glo­ba­len „Ein­heits­rasse“ [21] ist irra­tio­nal. Seiner eigenen Lehre zufolge ver­min­dert sich durch (ver­meint­lich unna­tür­li­che) Popu­la­ti­ons­mi­schung die „Varia­ti­ons­breite“ nicht, sie erhöht sich. [22] All die Pseu­do­wis­sen­schaft dient keinem anderen Zweck als der Legi­ti­ma­tion von Res­sen­ti­ment und ras­sis­ti­scher Ausgrenzung:

„Wenn Men­schen mit der geo­gra­phi­schen Her­kunft und der ‚Farbe‘ ihrer Popu­la­tion ein Gefühl der Iden­ti­tät ent­wi­ckelt haben und pflegen, sollte man das nicht als ‚Blut-und-Boden-Ideo­lo­gie‘ dis­kre­di­tie­ren. Es geht darum, dass Men­schen einer ‚Popu­la­tion‘ meist das Bedürf­nis haben, sowohl in ihrer ange­stamm­ten Heimat, als auch unter ihres­glei­chen zu leben.“ [23]

Joseph Arthur de Gobi­neau, der theo­re­ti­sche Begrün­der des moder­nen Ras­sis­mus, ver­kün­dete einst als Grund­idee seiner Lehre, die „Ver­mi­schun­gen“ von Rassen seien die Ursache für die „Dege­ne­ra­tion“ von Völkern und Kul­tu­ren. [24] Diese These wird von Michael Belei­tes nicht nur sinn­ge­mäß, sondern wört­lich wie­der­holt, ob bewusst oder unbe­wusst, bleibt unklar. [25]

Neben dem Bio­lo­gis­mus ist die Zivi­li­sa­ti­ons­feind­schaft die zweite Brücke, die Men­schen aus dem öko­lo­gi­schen Denken in die völ­ki­sche Ideo­lo­gie führen kann. Auch über sie schrei­tet Belei­tes. Seiner Ansicht nach befin­det sich die Mensch­heit auf einem Irrweg, seit sie die „Ur-Sozi­al­ord­nung“ der Jäger und Sammler ver­las­sen hat. In ihr habe noch ein „Alpha-Mann“ durch seine „natür­li­che Auto­ri­tät“ für Sta­bi­li­tät gesorgt. [26] Als zweit­beste Lösung erscheint die „bäu­er­li­che Lebens­form“ des sess­haf­ten Selbst­ver­sor­gers. [27] In ihr habe die Mensch­heit noch einmal ein „Gleich­ge­wicht mit sich und der Natur“ [28] gefun­den, zu ihr müssten die Men­schen daher jetzt zurück­keh­ren, um sich vor dem sonst unaus­weich­li­chen Unter­gang zu retten. Als Inbe­griff allen Übels erscheint – wie in der Tra­di­tion des völ­kisch-kon­ser­va­ti­ven Denkens üblich – die moderne Groß­stadt, kon­zen­triert sich in ihr doch tech­ni­scher Fort­schritt, kom­mer­zi­el­ler Wett­be­werb, sozia­ler Wider­streit, kos­mo­po­li­ti­sche Mischung und sexu­elle Aus­schwei­fung. Belei­tes ruft dagegen dazu auf, mit der Familie aufs Land zu ziehen, um dort endlich wieder den Acker mit dem eigenen Pferd zu pflügen und den eigenen Aus­schei­dun­gen zu düngen. [29] Ob dieser Ruf von den Städ­tern mas­sen­haft erhört wird, bleibt abzuwarten.

Belei­tes steht in der Tra­di­tion jener Strö­mung inner­halb der öko­lo­gi­schen Bewe­gung, die sich durch Bio­zen­tris­mus und eine fun­da­men­tale Kritik an Fort­schritt und tech­nisch-wis­sen­schaft­li­cher Zivi­li­sa­tion aus­zeich­net. Im Gegen­satz zu prag­ma­ti­sche­ren, an den Bedürf­nis­sen der Men­schen aus­ge­rich­te­ten Ansät­zen zieht sie viel Auf­merk­sam­keit auf sich, bewirkt aber wenig, weil ihr pes­si­mis­ti­sches Welt­bild prak­tisch wenig brauch­bar ist. [30] Dass im fun­da­men­ta­l­öko­lo­gi­schen Denken stets auch Relikte der Reli­gion wie die Ideen des Sün­den­falls und der Apo­ka­lypse halb­sä­ku­la­ri­siert über­le­ben, bestä­tigt auch das Bei­spiel von Beleites:

„Ob es sich um die Erde, um die Natur oder um das Gött­li­che handelt – der moderne Zivi­li­sa­ti­ons­mensch will oder kann nichts über sich akzep­tie­ren. Er will und kann sich nicht unter­ord­nend in etwas ein­fü­gen, das er nicht selbst gemacht hat. Da Himmel und Erde gött­li­che Kate­go­rien sind, kann man das, was ich als boden­lose Gesell­schaft bezeichne, getrost auch gott­lose Gesell­schaft nennen.“ [31]

Der Kul­tur­pes­si­mis­mus bleibt, wie schon Fritz Stern fest­stellte, alle­zeit eine poli­ti­sche Gefahr. [32] Belei­tes folgt seinem Vorbild Rudolf Bahro, der nach Anfän­gen als reform­kom­mu­nis­ti­scher Dis­si­dent in der DDR auf der Suche nach einer „Alter­na­tive“ [33] schließ­lich bei der natio­na­lis­ti­schen Eso­te­rik landete, das indi­vi­dua­lis­ti­sche, mate­ria­lis­ti­sche und ratio­na­lis­ti­sche Denken für alle Übel der Welt ver­ant­wort­lich machte und sich Erlö­sung von einem „grünen Adolf“ [34] ver­sprach. Auch Belei­tes findet Hoff­nung nur noch in para­do­xer Illu­sion: „Warum sollte es nicht auch frei­heit­li­che Alter­na­ti­ven zur Demo­kra­tie geben?“ [35] Der poli­ti­sche Weg der beiden Männer ähnelt sich auch im Motiv der „per­sön­li­chen Unzu­frie­den­heit“ [36], die nach Fritz Stern für Kul­tur­pes­si­mis­ten über­haupt typisch ist. Belei­tes berichtet:

„In den 1980er Jahren enga­gierte ich mich in der unab­hän­gi­gen Umwelt­be­we­gung der DDR. Dort the­ma­ti­sier­ten wir die glo­ba­len ‚Grenzen des Wachs­tums‘ und suchten nach Alter­na­ti­ven zur mar­xis­ti­schen und kapi­ta­lis­ti­schen Wachs­tums­lo­gik glei­cher­ma­ßen – also nach einem ‚Dritten Weg‘ für eine Gesell­schaft, die nicht das sie tra­gende Natur­ka­pi­tal der Erde auf­zehrt. Im Herbst 1989 habe ich geglaubt, dass Demo­kra­tie uns diesem Ziel näher bringt. Seither hat die an die Wett­be­werbs- und Wachs­tums­dy­na­mik gebun­dene Demo­kra­tie unseren Anteil an der Plün­de­rung der glo­ba­len Natur­res­sour­cen noch­mals ver­grö­ßert. […] Viel­leicht ist es an der Zeit, ohne Denk­ver­bote an die Debat­ten über einen Dritten Weg wieder anzu­knüp­fen?“ [37]

Nicht nur, aber beson­ders in Ost­deutsch­land ist eine solche Ent­täu­schung ver­brei­tet. Indem sie ihre völ­ki­sche Ideo­lo­gie mit öko­lo­gi­schen Ver­satz­stü­cken aus­staf­fie­ren, machen sich Dem­ago­gen wie Björn Höcke das Unbe­ha­gen nutzbar. [38] Der intel­lek­tu­elle Eigen­bröt­ler Michael Belei­tes liefert für diese poli­ti­sche Stra­te­gie nur die Stichworte.

Wie soll man solcher Agi­ta­tion begeg­nen, gerade ange­sichts der Tat­sa­che, dass die Demo­kra­tie tat­säch­lich Schwie­rig­kei­ten mit glo­ba­len Umwelt­pro­ble­men wie dem Kli­ma­wan­del hat? Es ist gewiss nicht hin­rei­chend, sich auf eine ver­meint­li­che „Alter­na­tiv­lo­sig­keit“ der bestehen­den öko­no­mi­schen und poli­ti­schen Ver­hält­nisse zurück­zu­zie­hen. Und doch bleibt es zuerst not­wen­dig, einer völ­ki­schen „Alter­na­tive“ ent­ge­gen­zu­tre­ten, die auto­ri­täre Sehn­sucht, ras­sis­ti­sche Beschränkt­heit und Zivi­li­sa­ti­ons­ver­ach­tung als Ele­mente natur­ge­mä­ßer Exis­tenz aus­zu­ge­ben versucht.

Fuß­no­ten

[1] Vgl. Chris­tof Geisel: Auf der Suche nach einem dritten Weg. Das poli­ti­sche Selbst­ver­ständ­nis der DDR-Oppo­si­tion in den 80er Jahren. Berlin: Ch. Links, 2005.

[2] Vgl. Zeev Stern­hell, Mario Snajder, Maia Asheri: Die Ent­ste­hung der faschis­ti­schen Ideo­lo­gie. Von Sorel zu Mus­so­lini. Aus dem Fran­zö­si­schen von Cor­ne­lia Lan­gen­dorf. Hamburg: Ham­bur­ger Edition, 1999.

[3] Vgl. Michael Belei­tes: Die öko­lo­gi­sche Bewe­gung in der DDR und ihre Rolle im Umbruch. In: Andrea Papst/​Catharina Schultheiß/​Peter Bohley (Hg.): Wir sind das Volk? Ost­deut­sche Bür­ger­rechts­be­we­gun­gen und die Wende. Tübin­gen: Attempto, 2001, S. 49–63.

[4] Die Schrift erschien nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung in einer über­ar­bei­te­ten Fassung als: Altlast Wismut. Aus­nah­me­zu­stand, Umwelt­ka­ta­stro­phe und das Sanie­rungs­pro­blem im deut­schen Uran­berg­bau. Frank­furt am Main: Brandes und Apsel, 1992.

[5] Vgl. Michael Belei­tes: Unter­grund. Ein Kon­flikt mit der Stasi in der Uran-Provinz. Berlin: Basis-Druck, 2., erw. Aufl. 1992.

[6] Der Dresd­ner Grünen-Poli­ti­ker Achim Wes­jo­hann hat schon vor einigen Jahren argu­men­ta­tiv die Unver­ein­bar­keit von Belei­tes‘ Welt­an­schau­ung mit der Pro­gram­ma­tik seiner Partei dar­ge­stellt: Anmer­kun­gen zu Michael Belei­tes‘ Pegida-Sym­pa­thie, https://nanopdf.com/download/anmerkungen-zu-michael-beleites-pegida_pdf.

[7] Vgl. Sebas­tian Hennig: PEGIDA. Spa­zier­gänge über den Hori­zont. Eine Chronik. Mit einem Vorwort von Michael Belei­tes und Kari­ka­tu­ren von Peter Will­we­ber. Neu­stadt an der Orla: Arnshaugk Verlag, 2015.

[8] Vgl. Nie zweimal in den­sel­ben Fluss. Björn Höcke im Gespräch mit Sebas­tian Hennig. Mit einem Vorwort von Frank Böckel­mann. Lüding­hau­sen und Berlin: Manu­scrip­tum, 2. Aufl. 2018.

[9] Vgl. Michael Belei­tes: Die men­schen­ge­machte Über­hit­zung. Zur Entro­pie der Indus­trie­ge­sell­schaft. In: Die Kehre. Zeit­schrift für Natur­schutz, 1/​2020, S. 7–13.

[10] Vgl. Michael Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz. Grund­züge einer orga­nis­mi­schen Bio­lo­gie. Treu­en­briet­zen: Telesma, 2014, S. 586.

[11] Michael Belei­tes: Land-Wende. Raus aus der Wett­be­webs­falle! Marburg: Metro­po­lis, 2016, S. 43.

[12] Belei­tes: Land-Wende, S. 41.

[13] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz, S. 511.

[14] Novalis: Die Chris­ten­heit oder Europa. In: Novalis: Werke, Tage­bü­cher und Briefe Fried­rich von Har­den­bergs. Hg. von Hans-Joachim Mähl und Richard Samuel. 3 Bände. München/​Wien: Hanser, 1978, Bd. 2, S. 732–750, hier S. 743.

[15] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz, S. 14.

[16] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz, S. 596.

[17] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz, S. 551.

[18] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz. S. 614.

[19] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz, S. 567f.

[20] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz, S. 12.

[21] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz, S. 604.

[22] Belei­tes: Land-Wende, S. 46f.

[23] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz, S. 605.

[24] Versuch über die Ungleich­heit der Men­schen­ra­cen. Vom Grafen Gobi­neau. Deut­sche Ausgabe von Ludwig Sche­mann. Erster Band. Stutt­gart: Fr. From­manns Verlag (E. Hauff), 1898, S. 31f.

[25] Vom „Ras­sen­mi­schung“ spricht Belei­tes in Umwelt­re­so­nanz, S. 604, von „Dege­ne­ra­tion“ als übler Folge urban-kos­mo­po­li­ti­scher Lebens­weise an unzäh­li­gen Stellen.

[26] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz, S. 596.

[27] Belei­tes: Land-Wende, S. 21.

[28] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz, S. 13.

[29] Vgl. Belei­tes: Land-Wende, S. 151–176.

[30] Vgl. zum dau­ern­den Wider­streit dieser beiden Strö­mun­gen: Joachim Radkau: Die Ära der Öko­lo­gie. Eine Welt­ge­schichte. München: C.H. Beck, 2011.

[31] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz, S. 578.

[32] Fritz Stern: Kul­tur­pes­si­mis­mus als poli­ti­sche Gefahr. Eine Analyse natio­na­ler Ideo­lo­gie in Deutsch­land. Aus dem Ame­ri­ka­ni­schen von Alfred P. Zeller. Mit einem Vorwort von Norbert Frei. Stutt­gart: Klett-Cotta, Neu­aus­gabe 2005.

[33] Vgl. Rudolf Bahro: Die Alter­na­tive. Zur Kritik des real exis­tie­ren­den Sozia­lis­mus. Köln und Frank­furt am Main: Euro­päi­sche Ver­lags­an­stalt, 1977.

[34] Rudolf Bahro: Logik der Rettung. Wer kann die Apo­ka­lypse auf­hal­ten? Ein Versuch über die Grund­la­gen öko­lo­gi­scher Politik. Berlin: Union, 1990, S. 358.

[35] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz, S. 598.

[36] Stern: Kul­tur­pes­si­mis­mus als poli­ti­sche Gefahr, S. 274.

[37] Belei­tes: Umwelt­re­so­nanz, S. 598.

[38] Vgl. zu den gegen­wär­ti­gen Ver­su­chen von Rechts­ra­di­ka­len, sich selbst auch als öko­lo­gi­sche Alter­na­tive zu prä­sen­tie­ren: Andrea Röpke und Andreas Speit: Völ­ki­sche Land­nahme. Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos. Berlin: Ch. Links, 2. akt. Aufl. 2019.

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