Die Neue Rechte in der Sackgasse

Götz Kubit­schek und Ellen Kositza auf der Frank­fur­ter Buch­messe. Foto: Jonas Fedders

Zwi­schen Lan­ge­weile und Nor­ma­li­sie­rung: Neu­rechte Verlage auf der Frank­fur­ter Buchmesse

Am Samstag platzt Götz Kubit­schek der Kragen, er kann nicht an sich halten, schreit herum, bezeich­net Jour­na­lis­ten als „Schmeiß­fliege“ und „Made“ und schlägt einem von ihnen vor, man könne doch auch „vor die Halle gehen“, um das – ja, was eigent­lich? – „aus­zu­ma­chen“. Kubit­schek fühlte sich gestört, weil Jour­na­lis­ten ihn am Stand seines Antaios Ver­la­ges auf der Frank­fur­ter Buch­messe foto­gra­fiert hatten. Der cho­le­ri­sche Auf­tritt passt so gar nicht zu dem Bild, das Kubit­schek gerne von sich ver­brei­tet, wenn er Jour­na­lis­ten auf seinem Hof in Schnell­roda emp­fängt: das des nach­denk­li­chen, ruhigen, ehr­wür­di­gen Intel­lek­tu­el­len, der geerdet in der sachsen-anhal­ti­ni­schen Provinz Ziegen melkt und der sogar seine eigene Frau siezt, als wolle er das große Den­ker­paar Jean-Paul Sartre und Simone de Beau­voir imitieren.

Auf der Frank­fur­ter Buch­messe waren auch in diesem Jahr mehrere Verlage der Neuen Rechten ver­tre­ten. Zu ihrer eigenen Sicher­heit hatte die Buch­messe diese Verlage in einer gut über­schau­ba­ren Sack­gasse in Halle 4.1 unter­ge­bracht. Mehrere Poli­zei­be­amte hatten sich pos­tiert, um Aus­ein­an­der­set­zun­gen zu ver­hin­dern. Den Aus­stel­lern gefiel das weniger. Man sei über­rascht, so Dieter Stein, Chef­re­dak­teur der Jungen Frei­heit, dass „die Leitung der Frank­fur­ter Buch­messe erneut eine ghet­to­ar­tige Sack­gasse für ‘rechte’ Verlage bildet“. Der Verlag Manu­scrip­tum sprach eben­falls von einer „Ghet­toi­sie­rung rechter Verlage“, und auch Ellen Kositza (Antaios) befand zu der Ankün­di­gung, dass man in diesem gut zu kon­trol­lie­ren­den Abschnitt plat­ziert werde: „Klingt irgend­wie nach Ghetto.“

Ein Ghetto war es nicht, aber es stimmt, der Gang, an dessen Ende die rechten Verlage plat­ziert wurden, sah nicht beson­ders ein­la­dend aus. Dennoch ver­irr­ten sich erstaun­lich viele Mes­se­be­su­cher dort hin, meist, um genervt umzu­dre­hen, als sie fest­stell­ten, dass es hier nicht weiter ging. Von den Ständen nahmen wohl nur wenige Notiz, und kaum jemand blieb stehen. Dass sich nicht alle Besu­cher, die einen Stand pas­sie­ren, auf das Ver­lags­pro­gramm stürzen, ist eine Erfah­rung, die viele kleine Verlage teilen dürften. Allein: Sie taugt nicht als Beleg für ein Opfer­n­ar­ra­tiv. Auf der Buch­messe sind über 7.000 Aus­stel­ler ver­tre­ten, man bräuchte Wochen, wenn nicht Monate, um sich mit jedem Stand aus­gie­big zu beschäftigen.

Nicht nur die Posi­tion in der Halle wurde bemän­gelt, auch von den Nach­barn war man nicht angetan. Das Ver­hält­nis zwi­schen Schnell­roda und der Jungen Frei­heit ist seit län­ge­rem ange­spannt. Hin­ter­grund sind unter­schied­li­che stra­te­gi­sche Ein­schät­zun­gen zur AfD. Sollte die Partei als Fun­da­men­tal­op­po­si­tion agieren, wie Schnell­roda und Co. es befür­wor­ten, oder sollte sie ver­su­chen, die CDU nach rechts zu ziehen und mit­tel­fris­tig eine Koali­tion mit der Union ein­ge­hen? Das Zer­würf­nis gip­felte darin, dass Dieter Stein in seiner Zeitung Björn Höckes Buch heftig verriss und ihn als „ideo­lo­gi­sches Irr­licht“ bezeich­nete, wor­auf­hin Kubit­schek Stein vorwarf, er habe das Buch wie ein „anti­fa­schis­ti­scher Stellen-Mar­kie­rer“ gelesen.

So richtig begeis­tert war man also auf beiden Seiten nicht, dass die Buch­messe die beiden Stände in unmit­tel­ba­rer Nähe pos­tiert hatte. Als die Autorin Birgit Kelle gerade am Stand der Jungen Frei­heit über Gender und Klima sprach, lauschte Philip Stein von Ein­pro­zent dem Vortrag. „Schwach­sinn“, mur­melte er nach einer Weile und wandte sich demons­tra­tiv und kopf­schüt­telnd ab. Aber es gab auch Szenen, in denen eine Akti­vis­tin der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung eine Autorin am Stand der Jungen Frei­heit herz­lich mit Umar­mung begrüßte. Über­haupt war das Publi­kum hete­ro­gen, an den Ständen tum­mel­ten sich ver­schie­dene Ver­tre­ter der Rechten: Akti­vis­ten und Akti­vis­tin­nen von Ein­pro­zent und der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung, aber auch Poli­ti­ker der AfD-Jugend­or­ga­ni­sa­tion Junge Alter­na­tive, die auf Lan­des­ebene Vor­stands­äm­ter beklei­den. Die Stim­mung unter den Anwe­sen­den wirkte eher gelangweilt

Ein kleinen und stillen Protest gab es dann doch. Foto: Jonas Fedders

Mediale Skan­dale blieben dieses Jahr aus. In den ver­gan­ge­nen zwei Jahren war das anders. Im Jahr 2017 domi­nier­ten Kubit­schek und sein Antaios Verlag die Bericht­erstat­tung vor, während und nach der Buch­messe. Der Antaios-Stand war damals gut plat­ziert, Kubit­schek und Björn Höcke schlen­der­ten über die Gänge von Halle 3, ein Kame­ra­team beglei­tete sie. Später ver­an­stal­tete Antaios eine Lesung mit Martin Sellner und Mario Müller von der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung, es kam zu Pro­tes­ten und Ran­ge­leien. Die Buch­messe ent­schied sich, die Ver­an­stal­tung wegen Sicher­heits­be­den­ken abzu­bre­chen, Kubit­schek küm­merte das nicht. Er sprach weiter zu seinen Anhän­gern, auch, nachdem die Mikro­fone abge­stellt wurden. Er hatte seinen Auf­tritt, man wollte ihn zum Schwei­gen bringen, er, der aus­ge­grenzte Rechts­in­tel­lek­tu­elle, wurde vom Estab­lish­ment mundtot gemacht. Mehr Mär­ty­rer­tum konnte er sich nicht wünschen.

Im nächs­ten Jahr dann, 2018, hatte man die Buch­messe und die Öffent­lich­keit gelinkt: Der Antaios Verlag hatte sich nicht ange­kün­digt, statt­des­sen ein bis dato unbe­kann­ter Loci Verlag, und wenige Tage vor der Buch­messe gab man vor, den Antaios Verlag an den Loci Verlag ver­kauft zu haben – eine Finte, wie sich später her­aus­stellte. Nun standen also die­sel­ben Antaios Bücher am Loci Stand, es waren die­sel­ben Autoren anwe­send, und weil man es geschafft hatte, der „Lügen­presse“ eine Lüge zu ver­kau­fen, war die Freude groß. Der Neuen Rechten war ein PR-Coup gelungen.

Ja, es gab dieses Jahr keinen großen Auf­schrei. Man domi­nierte nicht, wie 2017, die Bericht­erstat­tung über die größte Bücher­messe der Welt, es gab keine Pro­teste, keinen Eklat, mit dessen Hilfe man sich zum Opfer einer „links­grü­nen Mei­nungs­dik­ta­tur“ hätte sti­li­sie­ren können. Wenn man davon ausgeht, dass die Politik der Neuen Rechten allein von Skan­dal­sucht getrie­ben ist, wäre der dies­jäh­rige Auf­tritt wohl ein Flopp. Aller­dings: Dass es so lang­wei­lig war, zeigt auch eine andere Tendenz an – eine der Nor­ma­li­sie­rung, ein Ter­rain­ge­winn auf dem Feld des Kul­tu­rel­len, sozu­sa­gen ein kleiner Erfolg für die neu­rechte Stra­te­gie der Metapolitik.

Ob Antaios im nächs­ten Jahr wieder auf der Buch­messe ver­tre­ten sein wird, ist unge­wiss. Wenn Götz Kubit­schek bereits am zweiten Mes­se­tag resü­miert, dass die Buch­messe nicht in der Lage sei, „uns zu gewäh­ren, aus­stel­len, in die Aus­ein­an­der­set­zung geraten zu lassen wie jeden anderen“, klingt das beinahe resi­gniert. Die Frage wird also sein, wie ernst die Neue Rechte ihren Kampf im „vor­po­li­ti­schen Raum“ tat­säch­lich nimmt. Nicht ver­bo­ten zu sein, aber trotz­dem kaum Wirkung zu ent­fal­ten – diese demo­kra­ti­sche Erfah­rung ist für die Neue Rechte nur schwer aus­zu­hal­ten.

 

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