AfD-Parteitag: Droht die Partei an den Querdenkern zu zerreißen?
Der AfD-Parteitag am Wochenende ließ den tiefen Riss erkennen, der durch die Partei geht. Der Richtungsstreit ist nicht neu, hat aber durch die Auseinandersetzung um das Verhältnis zur Querdenkerbewegung an Schärfe gewonnen. Er könnte im Super-Wahljahr 2021 für die Partei gefährlich werden.
Am Wochenende überschattete die Diskussion um das Verhältnis zu den Corona-Protesten den Parteitag der AfD. Das beschlossenen Rentenkonzept ging in der Debatte völlig unter. Der Parteivorsitzende Jörg Meuthen kritisierte offen den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion Alexander Gauland für dessen Gerede von einer „Corona-Diktatur“, beschwerte sich über die Störer-Aktion mit Corona-Aktivisten im Bundestag und verwies darauf hin, dass man mit derlei Verhalten offen die Systemfrage stelle. Meuthen sieht offensichtlich die Partei in Gefahr, wie schon der Flügel um Rechtsaußen Björn Höcke zum Verdachtsfall für den Verfassungsschutz zu werden.
Meuthens Rede führte zu einer heftigen Debatte, die die alten Gräben in der Partei offenlegte. Im Kern geht es um zwei unterschiedliche strategische Einschätzungen, was den Erfolg der Partei gefährdet oder sichert. Der Flügel um Höcke will die Partei in eine radikale Richtung drängen und versteht die sie als klare Systemopposition. Höcke macht in seinem Buch „Nie zwei Mal in denselben Fluss“ keinen Hehl aus seinen antidemokratischen Ansichten und, dass er parlamentarischen System zu Fall bringen will. Der Begriff „bürgerlich“ wird hier allenfalls taktisch eingesetzt, um die radikaleren Absichten zu verschleiern.
Meuthen sieht im Radikalisierungskurs die Gefahr, den Anschluss ins bürgerliche Lager zu verlieren. Er weiß, dass ein Verdikt des Verfassungsschutzes wichtige Wählerstimmen kosten könnte und die Partei droht, zu einer NPD 2.0 zu schrumpfen.
Meuthens Forderung nach einer Abgrenzung nicht nur zu Rechtsextremen sondern auch zur Querdenkerbewegung bringt die Partei in eine schwierige Lage. Nachdem sie im in der Anfangsphase der Pandemie in ihrer Position zu den Schutzmaßnahmen lavierte, schien sie in den letzten Wochen die Rolle des parlamentarischen Arms der Straßenproteste eingenommen zu haben. Die Kampagnen unter dem Schlagwort „Ermächtigungsgesetz“ gegen das Infektionsschutzgesetz wurden von der AfD im Bundestag in teilweise abgemilderter Rhetorik grundsätzlich mitgetragen. Meuthens Co-Vorsitzender Tino Chrupalla wies im Interview mit dem Deutschlandfunk darauf hin, dass es ein Fehler sei, sich von den bürgerlichen Kreisen der Corona-Proteste pauschal zu distanzieren. Viele Parteileute an der Basis hätten sich in bei den Protesten stark engagiert – gerade auch im Osten. Insofern ist der Riss, der die Partei spaltet, auch einer zwischen Ost und West.
Für die Partei ist der Richtungsstreit nicht ungefährlich. Die Partei steht vor einer Zerreißprobe. Bei den im kommenden Jahr anstehenden Wahlen in acht Bundesländern und zum Bundestag könnte das wichtige Wählerstimmen kosten.