Im Ziel vereint

Jörg Meuthen und Björn Höcke. Foto: imago images /​ IPON

Jörg Meu­thens Vor­schlag zur Spal­tung der AfD offen­bart Trenn­li­nien, die schon länger inner­halb der Neuen Rechten nach­weis­bar sind. Auch wenn die ver­schie­de­nen Lager getrennt mar­schie­ren, stehen sie weiter bereit, die libe­rale Demo­kra­tie vereint zu schlagen.

Der Vor­schlag des AfD-Vor­sit­zen­den Jörg Meuthen, den Flügel als eigen­stän­dige Partei abzu­spal­ten, brachte die während der Corona-Krise weit­ge­hend ver­stummte Partei wieder in die Öffent­lich­keit. Nach Meu­thens Kalkül könnten zwar getrennte, aber doch ver­schwis­terte Grup­pie­run­gen ihre jewei­lige Kli­en­tel besser bedie­nen, um dann gemein­sam die poli­ti­sche Land­schaft auf­zu­rol­len. In einem Gespräch auf der Website des Maga­zins Tichys Ein­blick führte er seine Über­le­gun­gen aus: »Jeder weiß, dass der Flügel und dessen maß­geb­li­che Expo­nen­ten uns ganz massiv Wäh­ler­stim­men im bür­ger­li­chen Lager kosten, und ich denke auch, dass die ordo­li­be­ra­len Ansich­ten des bür­ger­lich-kon­ser­va­ti­ven Teils der AfD noch bessere Ergeb­nisse im staat­pa­ter­na­lis­tisch gepräg­ten Wäh­ler­mi­lieu des Flügels ver­hin­dern.« Diese »wech­sel­sei­tige Hemmung« sei ver­ant­wort­lich, dass die AfD nicht ver­gleich­bare Erfolge erziele, wie »etwa die Lega von Matteo Salvini und die Fratelli d´Italia in Italien«. [1]

Meuthen reagierte mit diesem Vorstoß auf die Ent­schei­dung des Bun­des­amts für Ver­fas­sungs­schutz, den Flügel inner­halb der AfD als rechts­extrem ein­zu­stu­fen. Tat­säch­lich lassen sich inner­halb der AfD grob zwei Strö­mun­gen aus­ma­chen, die im Gespräch mit Tichys Ein­blick als »einer frei­heit­lich-kon­ser­va­tiv-markt­wirt­schaft­li­chen auf der einen Seite, einer völ­kisch-eta­tis­tisch-kol­lek­ti­vis­ti­schen auf der anderen« gefasst werden. [2]

Es ist auch zutref­fend, dass Björn Höcke und der Flügel, die sich um das Insti­tut für Staats­po­li­tik und den Ver­le­ger Götz Kubit­schek in Schnell­roda sammeln, nicht nur Freunde in der AfD haben. [3] Doch werden klare Zuord­nun­gen dadurch erschwert, dass der Flügel ein infor­mel­les Netz­werk und Kubit­schek kein Par­tei­mit­glied ist. Für die Zukunft der Partei stellt sich nun die Frage, wie tief die Risse gehen. Ent­ge­gen der ver­brei­te­ten Wahr­neh­mung ver­lau­fen diese Linien aber nicht alleine zwi­schen Ost- und West-AfD, zumal der Flügel bun­des­weit agiert. Teil­weise sind diese Kon­flikt­li­nien nicht einmal welt­an­schau­li­chen Dif­fe­ren­zen geschul­det, sondern resul­tie­ren mit­un­ter aus unter­schied­li­chen Kar­rie­restra­te­gien und öko­no­mi­schem Wett­be­werb. Im Laufe der Jahre sind in der äußers­ten Rechten manche ehe­ma­li­gen Mit­strei­ter schlicht zu Kon­kur­ren­ten geworden.

Die dünnen Trenn­li­nien, die nun inner­halb der AfD sicht­bar werden, sind bereits in der Ver­gan­gen­heit inner­halb der so genann­ten Neuen Rechten nach­weis­bar. Eine erste Ori­en­tie­rung bietet die Tren­nung des Kubit­schek-Kreises von der Wochen­zei­tung Junge Frei­heit (JF) vor knapp einem Jahr­zehnt. Die 1986 gegrün­dete JF war jah­re­lang das Leit­or­gan einer neuen deut­schen Rechten, in dem viele der Prot­ago­nis­ten als Autoren in Erschei­nung getre­ten sind. Das Milieu schwankte stets zwi­schen radi­kal­op­po­si­tio­nel­lem und staats­tra­gen­dem Habitus, mit dem Ende des lang­jäh­ri­gen Nischen­da­seins ihrer Posi­tio­nen seit der Sar­ra­zin-Kon­tro­verse wurden die Dif­fe­ren­zen deut­li­cher. Während JF-Chef­re­dak­teur Dieter Stein immer wieder Anschluss an par­la­men­ta­ri­sche Par­teien suchte und auf Real­po­li­tik drängte, konnte der Schnell­roda-Zirkel nicht vom einem »revo­lu­tio­nä­ren« Anspruch lassen.

Im Früh­jahr 2014 verließ der Gym­na­si­al­leh­rer Karl­heinz Weiß­mann, Kubit­scheks poli­ti­scher Zieh­va­ter, das von ihm mit­be­grün­dete Insti­tut für Staats­po­li­tik und been­dete seine Autoren­schaft für die ange­glie­derte Zeit­schrift Sezes­sion. Er wurde dort durch den lang­jäh­ri­gen NPD-Kader Thor von Wald­stein ersetzt. Weiß­mann kon­zen­trierte sich nun ganz auf die JF, in der ihm schon lange die Rolle des Chef­ideo­lo­gen zukam. Mit der in ihrem Umfeld geschaf­fe­nen Biblio­thek des Kon­ser­va­tis­mus ver­fügte er längst über eine eta­blierte Insti­tu­tion in Berlin. Schließ­lich brachte er 2017 mit Cato eine im Zwei­mo­nats­takt erschei­nende Zeit­schrift auf den Weg, die im Gegen­satz zur Sezes­sion im Bahn­hofs­buch­han­del aus­liegt. Dieses Detail illus­triert den ganzen Anspruch, denn Weiß­manns Emp­feh­lung war, die AfD zur Volks­par­tei zu machen, Kubit­schek hin­ge­gen gefiel sich weiter im radi­ka­len Gestus des Ein­ge­weih­ten, dem keine Partei, sondern eine »Wider­stands­be­we­gung« vor­schwebte. [4]

Weiß­manns Kurs, der Partei weiter bür­ger­li­che Wäh­ler­schich­ten zu erschlie­ßen, schien für die JF auf­zu­ge­hen. Die Zeitung rückte so nah an die AfD heran, dass Par­tei­vor­stand Alex­an­der Gauland die Formel prägen konnte: »Wer die AfD ver­ste­hen will, muss die Junge Frei­heit lesen«. [5] Doch das Blatt unter­schätzte die dyna­mi­sche Ent­wick­lung der Rechts­par­tei, es hatte erst auf den AfD-Gründer Bernd Lucke und im Anschluss auf Frauke Petry gesetzt. Beide wurden in einem Radi­ka­li­sie­rungs­pro­zess von der Partei fal­len­ge­las­sen, der von Schnell­roda aus befeu­ert wurde.

Ent­ge­gen seiner anti­par­la­men­ta­ri­schen Pose hatte Kubit­schek in seinem Weg­ge­fähr­ten Björn Höcke und dessen Gefolg­schaft durch­aus Aktiv­pos­ten in der Partei. Kubit­schek war einer der Autoren der »Erfur­ter Reso­lu­tion«, mit der Bernd Lucke 2015 aus der Partei gedrängt und der Flügel kon­sti­tu­iert wurde. [6] Weiß­mann hatte diese Ent­wick­lung beob­ach­tet und den Poli­tik­stil in Schnell­roda schon 2015 scharf ange­grif­fen. Ange­sichts von Kubit­scheks Bündnis mit ita­lie­ni­schen Neo­fa­schis­ten fürch­tete er Schäden für die AfD und stellte seinem Zögling in der JF ein denkbar schlech­tes Zeugnis aus: »Kubit­schek ist eigent­lich kein poli­ti­scher Kopf. Das können Sie schon an den immer wieder bemüh­ten Schlüs­sel­be­grif­fen ›Pro­vo­ka­tion‹, ›Exis­ten­tia­lis­mus‹, ›Stil‹ sehen. Da ver­wech­selt jemand Lite­ra­tur mit Staats­lehre und Ästhe­tik mit Politik. Was selbst­ver­ständ­lich fatale Kon­se­quen­zen nach sich zieht, wenn der betref­fende trotz­dem Poli­tik­be­ra­tung treibt.« Die Kritik zielte auf die Rolle des Spin-Doctors, die Kubit­schek im rechten Par­tei­flü­gel ein­ge­nom­men hatte. Weiß­mann gab zu beden­ken, dass Kubit­schek und Höcke zwar in einigen Regio­nen in Ost­deutsch­land poli­ti­schen Ein­fluss erzie­len könnten, ihr Wirken für die Partei aber letzt­lich destruk­tiv sei. Mit dieser Aus­rich­tung ende »die AfD als ›Lega Ost‹, aber es wird ihr nicht gelin­gen, die­je­ni­gen zu gewin­nen, die noch nicht gewon­nen sind. Und darum geht es, um nichts anderes.« [7]

Ent­ge­gen dieser War­nun­gen ist der Kontakt der AfD nach Schnell­roda in der Fol­ge­zeit jedoch noch enger gewor­den. Heute arbei­tet Erik Lehnert, der »wis­sen­schaft­li­che Leiter« des Insti­tuts für Staats­po­li­tik, als Refe­rent der Bun­des­tags­frak­tion und ist zudem 2019 in den Vor­stand der par­tei­na­hen Desi­de­rius Erasmus Stif­tung auf­ge­rückt. Lange regte sich in der AfD kein Wider­spruch, viel­mehr machte das gesamte Füh­rungs­per­so­nal bis hin zu Meuthen selbst in Schnell­roda seine Auf­war­tung. Doch in der Ent­schei­dung des BfV zur Beob­ach­tung des Flügels spielte diese Nähe zum Kreis Kubit­scheks durch­aus eine Rolle und weckte Fluchtreflexe.

Als Zeugnis dieses Kon­flikts kann auch ein aus­führ­li­cher Verriss von Björn Höckes 2018 erschie­ne­nen Gesprächs­band »Nie zweimal in den­sel­ben Fluss« gelten, den JF-Chef Dieter Stein in seiner Zeitung ver­öf­fent­lichte. Stein attes­tierte Höcke Unfä­hig­keit und warf den Flügel-Prot­ago­nis­ten per­sön­li­che Pro­fi­lie­rung auf Kosten der Gesamt­par­tei vor. [8] Er sorgte sich, Höckes Mischung aus Pathos und Radi­ka­li­tät könne jene bür­ger­li­chen AfD-Wähler ver­grau­len, auf die sich die ange­strebte Ten­denz­wende in Deutsch­land stützen sollte. Flügel-Anhän­ger kehrten Steins Argu­mente umge­hend um und unter­stell­ten ihm, die Partei spalten zu wollen. Der lang­jäh­rige JF-Autor Baal Müller hielt Stein im Magazin Tumult Bigot­te­rie vor, da dieser ver­schwie­gen hatte, dass Höckes Gesprächs­part­ner Sebas­tian Hennig seit einem Jahr­zehnt selbst zum Autoren­stamm der JF zählt. [9] Auch Götz Kubit­schek nutzte die Situa­tion für eine Attacke auf seinen ehe­ma­li­gen Chef und klagte Stein in der Sezes­sion an, Höckes Buch »anti­fa­schis­tisch« gelesen zu haben. [10]

Nun scheint die Beob­ach­tung des Flügels durch den Ver­fas­sungs­schutz den Beden­ken Steins und Weiß­manns Recht zu geben. Durch sie könnten die staats­tra­gen­den Milieus des öffent­li­chen Diens­tes von der AfD abge­schreckt werden, auf die man bei der JF setzt. Ent­spre­chend for­derte Dieter Stein nach der BfV-Ent­schei­dung mit Blick auf den Flügel, es sei nun »Zeit zu Handeln«. [11] Meuthen ver­sucht dies offen­sicht­lich. Von­sei­ten der Sezes­sion muss er sich nun umge­hend an eine Aussage auf dem Kyff­häu­ser-Treffen erin­nern lassen, als er den Flügel zum »integrale[n] Bestand­teil« der AfD erklärte und sich gegen jede »Aus­schlie­ße­ri­tis« ver­wahrte. [12] Seine jetzige Initia­tive dürfte daher wohl zum Über­le­bens­kampf des Bun­des­spre­chers werden.

Die Kon­flikt­li­nien inner­halb des AfD-Milieus sind damit grob umris­sen. Doch liegt in der Ent­schei­dung des BfV, nur den Flügel als rechts­extrem zu bewer­ten, die Gefahr, den Rest der Partei zu unter­schät­zen. Wenn es die viel­be­schwo­rene »Lehre aus Weimar« gibt, dann zeigt diese, dass nicht die Dif­fe­ren­zen zwi­schen den rechten Strö­mun­gen zählen, sondern die Gemein­sam­kei­ten, da an ihnen letzt­lich die Demo­kra­tie zer­bricht. Jen­seits der Kon­kur­renz gibt es hin­rei­chend Brücken zwi­schen beiden Lagern, die gemein­sam mit schar­fer Anti-Migra­ti­ons­rhe­to­rik gewach­sen sind. Neben der kon­kre­ten Abwehr von Ein­wan­de­rung und der For­de­rung nach Rena­tio­na­li­sie­rung eint sie das Projekt einer Revi­sion von »1968« in Form eines poli­ti­schen Eli­ten­wech­sels und der ver­gan­gen­heits­po­li­ti­schen Kehrt­wende. Anläss­lich der Land­tags­wahl in Thü­rin­gen zog man wieder an einem Strang, denn ein Minis­ter­prä­si­dent in Abhän­gig­keit von der AfD-Frak­tion war im Inter­esse beider. Die einen lockte die damit ein­her­ge­hende Auf­wer­tung der Partei, die anderen gou­tier­ten, dass es gerade Björn Höcke war, der in Erfurt als Königs­ma­cher agierte. Die ersehnte »Nor­ma­li­sie­rung« schien in greif­bare Nähe gerückt.

Neben dem Ziel einer »Kul­tur­re­vo­lu­tion von rechts« ver­bin­den dar­wi­nis­tisch geprägte sozio­bio­lo­gi­sche Vor­stel­lun­gen von Leis­tung und Männ­lich­keit die Milieus. Diese Ein­stel­lung schafft sogar auf dem Feld der Sozi­al­po­li­tik Nähe. Das mag irri­tie­ren, da gerade dort die Dif­fe­ren­zen am deut­lichs­ten her­vor­zu­tre­ten schei­nen. Der JF-nahe markt­ra­di­kale Flügel um Jörg Meuthen und Alice Weidel pro­fi­liert sich auf diesem Gebiet mit der For­de­rung nach weit­ge­hen­der Pri­va­ti­sie­rung der sozia­len Absi­che­rung. Meu­thens Vor­schlag für ein neues, zentral auf Pri­vat­vor­sorge aus­ge­rich­te­tes Ren­ten­kon­zept wurde jedoch nicht nur von Anhän­gern des Flügels als Angriff auf die gesetz­li­che Ren­ten­ver­si­che­rung gewer­tet und abge­lehnt. Im Umfeld von Björn Höcke domi­nie­ren hin­ge­gen ganz andere Töne. Dieses Milieu pflegt einen volks­ge­mein­schaft­li­chen »Anti­ka­pi­ta­lis­mus«. Dort beruft man sich »in Abgren­zung zu eher wirt­schafts­li­be­ra­len Protagonist*innen auf einen völ­ki­schen Sozi­al­pa­trio­tis­mus und ver­sucht, die AfD als neue ›Arbei­ter­par­tei‹ in Stel­lung zu bringen.« [13] Die Akteure schwan­ken damit zwi­schen dem Wunsch nach einer Auf­wer­tung des Staates als sozi­al­po­li­ti­schen Akteur einer­seits, der den Markt im Sinne eines durch Abstam­mung defi­nier­ten Volkes zu steuern vermag und der unge­hemm­ten Ent­fal­tung des Marktes, als kos­ten­güns­ti­ge­rer Garant von Leis­tungs­fä­hig­keit. Auch wenn »volks­ge­mein­schaft­li­che« Kon­zepte his­to­risch betrach­tet selbst kaum einen realen Sozi­al­staat erset­zen können, schei­nen die Dif­fe­ren­zen min­des­tens sym­bo­lisch unüber­brück­bar. Ein Auf­bre­chen dieser Gräben konnte bislang nur durch die wie­der­holte Ver­schie­bung des eigent­lich für 2019 ange­kün­dig­ten sozi­al­po­li­ti­schen Par­tei­tags ver­hin­dert werden.

Im lang­fris­ti­gen Ziel des Eli­ten­wech­sels besteht jedoch trotz solcher Dif­fe­ren­zen wieder Einig­keit zwi­schen der »volks­ge­mein­schaft­li­chen« und der markt­zen­trier­ten Strö­mung. Als brauch­ba­rer Hebel dafür gilt das Wahl­recht, ein Schlüs­sel­ele­ment der Demo­kra­tie. Die JF publi­zierte jüngst ein Gespräch mit dem Unter­neh­mens­be­ra­ter und Gold­händ­ler Markus Krall. Seine Haupt­these for­mu­lierte der »Kri­sen­öko­nom« denkbar radikal: »Wir brau­chen eine Revo­lu­tion der inzwi­schen wieder sozia­lis­ti­schen Ver­hält­nisse hier«, und prä­zi­sierte den Begriff weiter als »eine bür­ger­li­che Erhe­bung in der Tra­di­tion der fried­li­chen Revo­lu­tion von 1989.« Zwar griff die Wende-Refe­renz ein belieb­tes Motiv inner­halb der AfD auf, doch ange­sichts der For­de­rung der dama­li­gen DDR-Oppo­si­tion nach freien Wahlen irri­tiert Kralls Argu­men­ta­tion. Sie zielt auf eine dras­ti­sche Ein­schrän­kung des Wahl­rechts: »Ent­we­der man erhält Trans­fers oder man übt sein Wahl­recht aus – jeder Bürger muß sich ent­schei­den.« [14]

Die Strö­mung um Höcke, die sich gerne als »Stimme der kleinen Leute« anpreist, müsste solchen Angriffe auf das Wahl­recht vehe­ment wider­spre­chen. In ihrer Welt­sicht steht gewöhn­lich ein starker Staat über dem alles regeln­den Markt. Doch tat­säch­lich sind solche Gedan­ken bis ins Kern­mi­lieu der »Neuen Rechten« ver­brei­tet und finden auch in Schnell­roda Wider­hall. Ein Gesprächs­band, in dem die Kreise um das Insti­tut für Staats­po­li­tik seine Leit­li­nien aus­for­mu­liert, enthält eben­falls ein Plä­doyer für ein »Drei­klas­sen­wahl­recht«. [15] Mit Bezug auf eine Formel von Edgar Julius Jung wird auch von Demo­kra­tie als einer »Herr­schaft der Min­der­wer­ti­gen« gespro­chen. [16] Ange­sichts der anste­hen­den staat­li­chen För­de­rungs­pro­gramme zur Abfe­de­rung der Corona-Folgen bedeu­ten diese For­de­run­gen nicht weniger als die poli­ti­sche Aus­schal­tung bedeu­ten­der Teile der Bevöl­ke­rung. Die poli­ti­sche Mit­be­stim­mung wäre dann auf einen kleinen Teil öko­no­misch poten­ter Per­so­nen ein­ge­grenzt. Damit treffen sich die Vor­stel­lun­gen beider kon­kur­rie­ren­der Strö­mun­gen wieder in einem stän­de­staat­li­chen Gefüge. Markt- und Staats­fe­ti­schis­ten der Neuen Rechten können mit­un­ter zwar getrennt mar­schie­ren, stehen aber weiter bereit, die libe­rale Demo­kra­tie vereint zu schla­gen – ob als eine Partei mit völ­ki­schem Flügel oder als getrennte »Schwes­tern«, wie jetzt von Meuthen ange­regt, ist dabei nebensächlich.

 

 

 

 

 

 

 

Fuß­no­ten

 

[1] https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/afd-chef-joerg-meuthen-plaediert-fuer-trennung-vom-fluegel/

[2] Ebd.

[3] Vgl. zum Schnell­roda-Komplex Helmut Kel­lers­hohn, Götz Kubit­schek und das Insti­tut für Staats­po­li­tik. In: ders., Wolf­gang Kastrup (Hrsg.), Kul­tur­kampf von rechts. AfD, Pegida und die Neue Rechte. Münster 2016, S. 92–106 und Volker Weiß, Die auto­ri­täre Revolte. Die Neue Rechte und der Unter­gang des Abend­lan­des. Stutt­gart 2017.

[4] Vgl. seine 2015 anläss­lich der »Flücht­lings­krise« auf Sezession.de publi­zierte Arti­kel­se­rie »Wider­stands­schritte«, die Akti­vi­tä­ten der »Iden­ti­tä­ren« und der gemein­sa­men Fund­rai­sing-Platt­form einprozent.de.

[5] Zitiert nach https://medienwoche.ch/2016/02/20/wer-die-afd-verstehen-will-muss-die-junge-freiheit-lesen/

[6] Vgl. Melanie Amann, Angst für Deutsch­land. Die Wahr­heit über die AfD: wo sie her­kommt, wer sie führt, wohin sie steuert. München 2017, S. 148.

[7] https://jungefreiheit.de/debatte/interview/2015/sonst-endet-die-afd-als-lega-ost/

[8] Dieter Stein, »Beschei­de­ner Wel­ten­len­ker«, in: Junge Frei­heit 10/​2019, URL: https://jungefreiheit.de/debatte/forum/2019/bescheidener-weltenlenker/

[9] https://www.tumult-magazine.net/post/baal‑m%C3%BCller‑w%C3%BCtende-steinw%C3%BCrfe-auf-bj%C3%B6rn‑h%C3%B6cke . Es ist in diesem Kontext nicht unwich­tig, dass das Magazin Tumult von Frank Böckel­mann her­aus­ge­ge­ben wird, der das Vorwort zu Höckes Buch schrieb.

[10] https://sezession.de/60376/dieter-stein-las-bjoern-hoecke

[11] https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2020/zeit-zu-handeln/

[12] https://sezession.de/62402/afd-fluegelaufloesungsbeschluss-und-spaltungsdebatten

[13] Michael Barthel /​ Anna-Lena Her­ken­hoff, Die Zeit­schrift »Compact« und die soziale Frage. In: Andrea Becker /​ Simon Eber­hardt /​ Helmut Kel­lers­hohn (Hg.), Zwi­schen Neo­li­be­ra­lis­mus und völ­ki­schem »Anti­ka­pi­ta­lis­mus«. Sozial- und wirt­schafts­po­li­ti­sche Kon­zepte und Debat­ten inner­halb der AfD und der Neuen Rechten. Münster 2019, S. 148–158, hier S. 150.

[14] »Wir brau­chen eine Revo­lu­tion«, JF 13/​20, S. 3. Anlass des Gesprächs mit der JF war die Publi­ka­tion seines neu­es­ten Buches, das diese Pro­gram­ma­tik aus­for­mu­liert, vgl. Markus Krall, Die bür­ger­li­che Revo­lu­tion. Wie wir unsere Frei­heit und unsere Werte erhal­ten. Stutt­gart 2020, S. 223. Krall, der seine wirt­schafts- und gesell­schafts­po­li­ti­schen For­de­run­gen aus den Lehren Fried­rich von Hajeks und Ludwig von Mises her­lei­tet, sprach sich nicht zum ersten Mal für solche Ein­griffe aus. Bereits im Früh­jahr hatte er auf einer AfD-Ver­an­stal­tung im Erz­ge­birge für den Wahl­rechts­ent­zug bei Emp­fän­gern staat­li­cher »Sub­ven­tio­nen« plä­diert: https://www.youtube.com/watch?v=xHZuHjXNnF4, ab min. 20:17.

[15] Ellen Kositza/​ Götz Kubit­schek (Hg.), Tris­tesse Droite, Die Abende von Schnell­roda. Schnell­roda 2015, S.110. Bereits 2009 hatte Kubit­schek ähn­li­che Ansich­ten zum All­ge­mei­nen Wahl­recht zu Pro­to­koll gegeben: »Ich mache mir mit meiner Frau gründ­lich Gedan­ken, wen ich wähle und ob ich über­haupt wählen gehe. Wenn ich dann beim Ver­las­sen des Wahl­lo­kals fest­stelle, dass das Alko­ho­li­ker­pär­chen aus dem Ort meine Stimme ega­li­siert, dann wird mir auto­ma­tisch das Absurde der Situa­tion klar. Wenn Sie fest­stel­len, dass Sie diesen Per­so­nen in fast allen Belan­gen über­le­gen sind, dann können Sie gegen das Gefühl dieser Über­le­gen­heit gar nichts tun.« Im Fol­gen­den sin­niert er über eine Gewich­tung der Stimmen nach Kin­der­zahl und Eigen­tum. https://www.dasgespraech.de/?p=1673. Andere Angriffe der Sezes­sion gelten dem Frau­en­wahl­recht, vgl. https://sezession.de/57327/zivilisationsrettungij-phylomasochismusij

[16] Kositza/​Kubitschek 2015, S. 22.

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