Kon­fe­renz­be­richt: Neue Rechte, altes Denken

Foto: Alex­an­der Schank

 

Die libe­rale Demo­kra­tie und ihre Gegner“ – so lautete der Titel der Abschluss­kon­fe­renz des Pro­jekts „Geg­ner­ana­lyse“, die am 10. Oktober 2019 in Berlin statt­fand. Im Zentrum stand die Frage: Was lernen wir aus der anti­li­be­ra­len Ideen­ge­schichte für die aktu­elle Aus­ein­an­der­set­zung mit den Gegnern der Demokratie?


Ralf Fücks vom Zentrum Libe­rale Moderne begrüßte die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer der Kon­fe­renz. Er wies auf den anti­se­mi­ti­schen Anschlag vom Vortag auf die Syn­agoge in Halle hin, durch den das Thema der Kon­fe­renz drän­gende Aktua­li­tät gewon­nen hatte. Auch wenn der Täter allein gehan­delt habe, sei sein Denken in Netz­wer­ken ent­stan­den, die wieder an Stärke gewon­nen hätten. Mit seinem Hass auf Juden, „Kanaken“ und Femi­nis­tin­nen vertrat der Atten­tä­ter ein Welt­bild, das von rechts­extre­men Ideo­lo­gien domi­niert ist. Das Projekt „Die libe­rale Demo­kra­tie und ihre Gegner – Geg­ner­ana­lyse“ hat mit Essays zu anti­li­be­ra­len Vor­den­kern und aktu­el­len Aus­ein­an­der­set­zun­gen ver­sucht, dem anti­de­mo­kra­ti­schen Denken ana­ly­tisch näher zu kommen. Für die Kon­fe­renz ging es auch um die Frage, wie rele­vant eine solche ideo­lo­gi­sche Auf­ar­bei­tung für die Aus­ein­an­der­set­zung mit anti­li­be­ra­len Kräften ist.

Foto: Jonas Fedders

Die Kon­fe­renz begann mit einem Panel, das nach der Bedeu­tung der Aus­ein­an­der­set­zung mit den ideo­lo­gi­schen Grund­la­gen anti­de­mo­kra­ti­schen Denkens für die Arbeit von Multiplikator*innen in der poli­ti­schen Bildung und Extre­mis­mus­prä­ven­tion fragte. Es dis­ku­tier­ten Thomas Krüger (Bun­des­zen­trale für poli­ti­sche Bildung), Sanem Kleff (Schule ohne Ras­sis­mus – Schule mit Courage) und Karl Weber (Arbeits­ge­mein­schaft katho­lisch-sozia­ler Bil­dungs­werke e.V.). Sowohl dem Mode­ra­tor Thomas Gill (Ber­li­ner Lan­des­zen­trale für poli­ti­sche Bildung) als auch den Dis­ku­tie­ren­den lag zunächst daran, poli­ti­sche Bildung von der Extre­mis­mus­prä­ven­tion abzu­gren­zen. Ers­te­res betone die demo­kra­ti­schen Gestal­tungs­mög­lich­kei­ten des Sub­jekts, letz­te­res nehme den Adres­sa­ten als poten­zi­el­len Gefähr­der wahr und messe den Erfolg poli­ti­scher Bildung an sicher­heits­po­li­ti­schen Kri­te­rien statt an der Mün­dig­keit des Indi­vi­du­ums. Multiplikator*innen der schu­li­schen und außer­schu­li­schen poli­ti­schen Bildung sähen sich in den ver­gan­ge­nen Jahren zuneh­mend vor allem von rechts unter Druck gesetzt. Zum einen sei durch die Mel­de­por­tale der AfD eine große Ver­un­si­che­rung hin­sicht­lich der im Beu­tels­ba­cher Konsens von 1976 als „Über­wäl­ti­gungs­ver­bot“ fest­ge­hal­te­nen Neu­tra­li­tät von Multiplikator*innen aus­ge­löst worden. Sanem Kleff machte dies­be­züg­lich klar, dass poli­ti­sche Bildung zwar in der Tat par­tei­un­ab­hän­gig sein sollte, jedoch nicht wert­neu­tral. Maßstab müsse die „Gleich­wer­tig­keit der Men­schen“ sein.

Karl Weber sah in par­la­men­ta­ri­schen Anfra­gen der AfD, die die Träger der poli­ti­schen Bildung betref­fen, häufig „das inkar­nierte Vor­ur­teil“. Den intel­lek­tu­el­len Diskurs und die ideo­lo­gi­schen Grund­la­gen zu kennen, sei deshalb wichtig, da die Neue Rechte nicht (nur) aus „Abge­häng­ten“ bestünde. Er verwies wei­ter­hin darauf, dass anti­de­mo­kra­ti­sche Akteure zumeist ein bestimm­tes Bild von einer aggres­si­ven heroi­schen Männ­lich­keit teilten. Die geziel­ten ver­ba­len wie phy­si­schen Angriffe auf Multiplikator*innen nähmen zu, so Kleff.

Dies führte Gill zu der Frage, wie gut poli­ti­sche Bildung darauf vor­be­rei­tet sei und wo sich blinde Flecken befän­den. Thomas Krüger sah einen mög­li­chen Weg für die poli­ti­sche Bildung im Umgang mit neuen Her­aus­for­de­run­gen darin, „über den pro­fes­sio­nel­len Tel­ler­rand“ zu schauen und mehr in infor­melle Berei­che bei­spiels­weise über soziale Medien oder Influencer*innen hin­ein­zu­wir­ken. „Poli­ti­sche Bildung ist Teil der Lösung und des Pro­blems“, meinte Krüger und for­derte mehr Selbst­kri­tik bezüg­lich der Wirk­sam­keit poli­ti­scher Bil­dungs­pro­zesse. Die Kon­flikt­li­nien liefen seiner Ein­schät­zung nach heute weniger über ideo­lo­gi­sche Kon­tro­ver­sen als über unter­schied­li­che Kul­tu­ra­li­sie­rungs­pro­zesse, deshalb müsse die poli­ti­sche Bildung ver­mehrt auf Multiplikator*innen setzen, die dazwi­schen Brücken bauen könnten. Weber mochte die poli­ti­sche Bildung nicht als „Feu­er­wehr des Kon­sen­ses sondern als Weg­be­rei­te­rin des kul­ti­vier­ten Streits“ ver­stan­den wissen.

Welche Erfolgs­re­zepte hat poli­ti­sche Bildung im Umgang mit anti­de­mo­kra­ti­schen Denk­mus­ter und Hand­lun­gen? Weber nannte hier die Koope­ra­tion zwi­schen schu­li­schen und außer­schu­li­schen Anbie­tern sowie auf­su­chende Formate. Kleff berich­tete, dass Kinder und Jugend­li­che an Schulen lernen könnten, wie sie sich gegen anti­de­mo­kra­ti­sche Ideen und Ver­hal­tens­wei­sen stark machen können. Krüger sah eine posi­tive Ent­wick­lung in der Öffnung in Rich­tung infor­mel­ler Pro­zesse wie zum Bei­spiel neue Web­vi­deo-Formate. Bedarf sah er bei der Wei­ter­ent­wick­lung der Erwach­se­nen­bil­dung. Gill fasste zusam­men, das Podium habe auf­ge­zeigt, mit welchen Fragen die poli­ti­sche Bildung im Kontext der „gesell­schaft­li­chen Zuspit­zun­gen“ kon­fron­tiert sei. In der Dis­kus­sion mit dem Publi­kum beschrieb ein Kon­fe­renz­teil­neh­mer seine Ver­un­si­che­rung ange­sichts des ver­schwö­rungs­theo­re­ti­schen „Breis“, den Rechts­extreme wie auch der Atten­tä­ter von Halle am Abend ver­brei­ten. Thomas Krüger ant­wor­tete, hinter dem ver­meint­li­chen „Brei“ stünden klar benenn­bare rechts­extreme Kon­zepte und ideo­lo­gi­sche Grund­la­gen, deren langen Linien man bis min­des­tens in die 1920er Jahre zurück­ver­fol­gen könne. Und es sei gerade Ziel und das Beson­dere des Pro­jekts „Geg­ner­ana­lyse“, diese Denk­mus­ter herauszuarbeiten.

Foto: Jonas Fedders

Im zweiten Panel, das von Ann-Kathrin Büüsker mode­riert wurde, ging es um die Geschichte und die Gegen­wart anti­li­be­ra­len Denkens – und um einen Blick über Deutsch­land hinaus. Zunächst widmete sich der Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Jens Hacke den zen­tra­len Denk­fi­gu­ren der anti­li­be­ra­len Oppo­si­tion in der Wei­ma­rer Repu­blik. Immer, wenn es unge­müt­lich werde, so Hacke, sei hier­zu­lande von „Wei­ma­rer Ver­hält­nis­sen“ die Rede. Aller­dings sei es wichtig, beim Verweis auf Par­al­le­len zur Wei­ma­rer Repu­blik auch die Unter­schiede deut­lich zu mar­kie­ren. So gebe es heut­zu­tage etwa keine Mili­ta­ri­sie­rung, die Bun­des­re­pu­blik sei viel­mehr eine pazi­fis­ti­sche und gefes­tigte Demo­kra­tie. Dennoch erleb­ten wir heute ver­schie­dene Regres­si­ons­be­we­gun­gen, die an die Wei­ma­rer Zwi­schen­kriegs­zeit erin­ner­ten. Hacke nannte etwa einen starken Anti­par­la­men­ta­ris­mus bzw. die Ableh­nung demo­kra­ti­scher Insti­tu­tio­nen, den Natio­na­lis­mus und das Streben nach völ­ki­scher Homo­ge­ni­tät, aber auch eine pau­schale Eli­ten­kri­tik, außen­po­li­ti­schen Revi­sio­nis­mus sowie einen anti­se­mi­tisch grun­dier­ten Antikapitalismus.

Der Jour­na­list Andreas Speit knüpfte daran an mit einer Aus­füh­rung zu gegen­wär­ti­gen Strö­mun­gen inner­halb der Neuen Rechten, die er als „Plagiat der Kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­tion und des ita­lie­ni­schen Faschis­mus“ bezeich­nete. Die Theo­rie­bil­dung in diesem Milieu sei wei­test­ge­hend abge­schlos­sen, selbst bei dem häufig als „neu“ rezi­pier­ten Konzept des Eth­no­plu­ra­lis­mus sei der Grund­ge­danke schon bei anti­li­be­ra­len Vor­den­kern wie Carl Schmitt ange­legt. Mit dem Rück­griff auf phi­lo­so­phi­sche Auto­ri­tä­ten der Wei­ma­rer Zeit ver­su­che die Neue Rechte, aus dem Schat­ten des Natio­nal­so­zia­lis­mus herauszutreten.

Der Jour­na­list Jan Opielka verwies darauf, dass sich in der pol­ni­schen Gesell­schaft bis heute bestimmte libe­rale Ideen nicht hätten durch­set­zen können. Polen sei lange Zeit nicht unab­hän­gig gewesen, weshalb der Kampf für Sou­ve­rä­ni­tät einen höheren Stel­len­wert beses­sen habe als der Kampf für den Libe­ra­lis­mus. Zudem werde der Begriff Libe­ra­lis­mus in Polen eher öko­no­misch als Neo­li­be­ra­lis­mus ver­stan­den und daher abge­lehnt. Die regie­rende PiS sei so erfolg­reich, weil sie den „Wen­de­ver­lie­rern“ nach dem Sys­tem­wech­sel 1989 eine Kom­pen­sa­ti­ons­leis­tung geboten habe.

Claire Demes­may von der Deut­schen Gesell­schaft für Aus­wär­tige Politik knüpfte an die Aus­füh­run­gen von Opielka an und sagte, dass auch in Frank­reich der Begriff Libe­ra­lis­mus mitt­ler­weile eher öko­no­misch ver­stan­den werde und „fast ein Schimpf­wort“ sei. Sie beschrieb zwei Trends des anti­li­be­ra­len Denkens: Zum einen hätten die isla­mis­ti­schen Anschläge seit 2015 in der fran­zö­si­schen Gesell­schaft zu mehr Akzep­tant für die Ein­schrän­kung von Frei­hei­ten geführt, was sich unter anderem in der großen Zustim­mung zum Anti-Terror-Gesetz zeige. Zum anderen gebe es eine sehr ver­brei­tete Eli­ten­kri­tik und ein Miss­trauen gegen­über Gewerk­schaf­ten, gleich­zei­tig aber ein immenses Ver­trauen in Polizei und Militär. Demes­may plä­dierte dafür, auch die poten­zi­ell anti­li­be­ra­len Ele­mente inner­halb des Libe­ra­lis­mus aufzuspüren.

In der anschlie­ßen­den Dis­kus­sion unter den Podi­ums­gäs­ten überwog eine stark öko­no­mis­ti­sche Erklä­rung für den Erfolg der anti­li­be­ra­len Revolte. Es wurde auf unge­rechte Trans­for­ma­ti­ons- und Demü­ti­gungs­er­fah­run­gen sowie die Zer­stö­rung von Bio­gra­fien in diesem Zusam­men­hang hin­ge­wie­sen. Jan Opielka sagte, man könnte nicht über Anti­li­be­ra­lis­mus spre­chen, ohne über den Kapi­ta­lis­mus zu reden. „Das Kapital braucht keine libe­rale Demo­kra­tie“, so Opielka. Gegen derlei Posi­tio­nen gab es auch deut­li­chen Wider­spruch aus dem Publi­kum. Er wundere sich, sagte ein junger Mann, dass nun wieder der Kapi­ta­lis­mus schuld sein solle und ent­geg­nete Opielka: „Aber braucht die libe­rale Demo­kra­tie nicht die Marktwirtschaft?“

Foto: Alex­an­der Schank

Ein Podium mit Mit­glie­dern des wis­sen­schaft­li­chen Beirats widmete sich der Frage, welche Lehren aus dem Projekt gezogen werden können. Irina Scher­ba­kowa vom rus­si­schen Men­schen­rechts­zen­trum „Memo­rial“ fragte, warum die Idee der Frei­heit von 1989 keine visio­näre Strahl­kraft mehr ent­falte. Eine Ursache sei, dass man Frei­hei­ten ohne tiefere Aus­ein­an­der­set­zung einfach über­nom­men habe. Hinzu komme das kom­mu­nis­ti­sche Sozi­al­staats­ver­spre­chen, das im real­exis­tie­ren­den Sozia­lis­mus zu Pater­na­lis­mus ver­kom­men sei. Und der sei auch heute noch überall ist Mit­tel­ost­eu­ropa – auch in der Ex-DDR – als völlig Abhän­gig­keit der Men­schen vom Staat spürbar. Russ­land sei heute nicht zufäl­lig der Hort für Links­po­pu­lis­ten und Rechts­extre­mis­ten von Vene­zuela bis Le Pen. Gemein­sa­mer Nenner sei die Degra­die­rung von Men­schen­rech­ten und Indi­vi­duum, die poli­ti­sche Instru­men­ta­li­sie­rung von Gefüh­len und lose Vor­stel­lun­gen von Natio­nal­stolz. Wla­di­mir Putin und der regi­me­nahe Ideo­loge Alex­an­der Dugin seien Eklek­ti­ker – anti­mo­dern und post­mo­dern im Sinne eines Post­wahr­heits­dis­kur­ses zugleich. Aber es gebe auch Hoff­nung: Während Demo­kra­tie und Libe­ra­lis­mus in den 1990ern in Russ­land gera­dezu Schimpf­wör­ter gewesen seien, gehe heute die rus­si­sche Jugend bei den Pro­tes­ten zu den Lokal­wah­len für Demo­kra­tie auf die Straßen.

Hedwig Richter vom Ham­bur­ger Insti­tut für Sozi­al­for­schung warnte vor einem Kri­sen­dis­kurs. Rechts­extre­mis­mus und Anti­se­mi­tis­mus seien in den 50er und 60er Jahren viel ver­brei­te­ter gewesen. Umfra­gen zeigten, dass die Men­schen heute zufrie­de­ner sind, denn je. Frauen hätten heute so viele Rechte wie noch nie. Die Mehr­heit sei für Demo­kra­tie – auch im Osten. Und: Demo­kra­tie müsse nicht ständig wie der Rechts­po­pu­lis­mus Gefühle mobi­li­sie­ren. Der Natio­na­lis­mus sei im 19. Jahr­hun­dert eine Antwort der Moderne auf Iden­ti­täts­fra­gen gewesen, mit Demo­kra­ti­sie­rung ein­her­ge­gan­gen und habe sich ega­li­tär gegen die Stän­de­ge­sell­schaft gerich­tet. Mit 1871 seien die regio­na­len Iden­ti­tä­ten um eine gesamt­deut­sche ergänzt worden. Das sei auch für Europa als Wer­te­ge­mein­schaft denkbar.

Barbara Zehn­pfen­nig, Pro­fes­so­rin an der Uni­ver­si­tät Passau, warnte vor ein­fa­chen Erklä­rungs­mus­tern für den Rechts­po­pu­lis­mus. Dieser ant­worte nicht auf soziale, sondern auf kul­tu­relle Fragen. Kom­mu­nis­mus und Faschis­mus seien Ant­wor­ten auf die bür­ger­li­che Gesell­schaft, die der Geburts­stunde des Libe­ra­lis­mus als seine Gegen­be­we­gun­gen mit erwach­sen sind. Die offene Flanke des Libe­ra­lis­mus sei die zu schwa­che geis­tige Aus­ge­stal­tung der Freiheit.

Ralf Fücks wies darauf hin, dass die Gegner der Demo­kra­tie mit starken Gefüh­len agier­ten. Der Libe­ra­lis­mus lehne Gesell­schafts­uto­pien gera­dezu ab. Fehlt ihm das affek­tive Moment? Zehn­pfen­nig kri­ti­sierte, dass die Frage der Begrün­dung der Frei­heit pri­va­ti­siert werde. Das führe zu einer Hyper­in­di­vi­dua­li­sie­rung, Nar­ziss­mus und gesell­schaft­li­chem Aus­ein­an­der­fal­len. Gleich­zei­tig sei die ratio­nale Dis­kus­sion über Werte keine Sache von Emo­tio­nen. Die ideen­ge­schicht­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit dem anti­li­be­ra­len Denken bleibe wichtig, so Zehn­pfen­nig. Es gebe einen Kern wie­der­erkenn­ba­rer Argu­mente. Die Analyse müsse diese Kern­ele­mente offen­le­gen. Denn die Psyche sei nur der Acker. Die Analyse der Ideen beschrie­ben das Saatgut, das Antrieb dafür sei, dass etwas Wirk­lich­keit wird.

Foto: Alex­an­der Schank

Eine öffent­li­che Podi­ums­dis­kus­sion am Abend widmete sich den Fragen der prak­ti­schen Politik: Was ist zu tun ange­sichts der anti­li­be­ra­len Her­aus­for­de­run­gen unserer Zeit? Diese Frage rich­tete Ralf Fücks an Oliver Schmolke (Bun­des­prä­si­di­al­amt), Bettina Wies­mann (MdB), Manuela Rott­mann (MdB) und Sabine Leu­theus­ser-Schnar­ren­ber­ger (Fried­rich-Naumann-Stif­tung). Das hoch­kom­plexe Pro­blem­feld der aktu­el­len Ent­wick­lun­gen wie die Glo­ba­li­sie­rungs­pro­zesse, Han­dels­kriege, Digi­ta­li­sie­rung und die damit ein­her­ge­hen­den gra­vie­ren­den Folgen für viele – dar­un­ter der massive Verlust an Arbeits­plät­zen und exis­ten­ti­el­ler Siche­rung des Lebens­un­ter­halts, aber auch an posi­ti­ver Selbst­iden­ti­fi­ka­tion – zählten mit zu den Ursa­chen des beob­ach­te­ten Anti­li­be­ra­lis­mus, so Bettina Wies­mann. Eine Ver­trau­ens­of­fen­sive in die demo­kra­ti­sche libe­rale Ordnung und der Versuch, Par­teien zu reha­bi­li­tie­ren, könne erfolg­reich sein durch mehr erleb­bar gemachte Demo­kra­tie. Bei Kindern und Jugend­li­chen könne dies bei­spiels­weise durch das Erler­nen der demo­kra­ti­schen Betei­li­gung in Form von Jugend­par­la­men­ten oder dem Wett­be­werb „Jugend debat­tiert“ geför­dert werden.

Manuela Rott­mann unter­strich das bei vielen Bürgern feh­lende Gefühl der Selbst­wirk­sam­keit. Hinzu kämen nega­tive Erfah­run­gen, welche zur Ent­täu­schung über die Demo­kra­tie führten. Die staat­li­chen Insti­tu­tio­nen, die die demo­kra­ti­sche Ordnung reprä­sen­tier­ten, trügen laut Oliver Schmolke zur Rück­be­sin­nung auf uni­ver­selle Werte der libe­ra­len Ordnung bei und stell­ten die Einheit des Gemein­we­sens her. Die niemals an sich ideale frei­heit­li­che Ordnung beinhalte einen inneren Wider­spruch zwi­schen dem nor­ma­ti­ven Ideal und der Wirk­lich­keit; gerade dieser aber treibe die Gesell­schaft zu den demo­kra­ti­schen Ver­än­de­run­gen an.

Eine erleb­bare, funk­tio­nie­rende Demo­kra­tie, sei essen­zi­ell, so Sabine Leu­theus­ser-Schnar­ren­ber­ger. Sie müsse in Extrem­fäl­len wie Ter­ror­ak­ten sich gemein­sam und kraft­voll gegen ihre Gegner wehren, aber auch ein nied­rig­schwel­li­ges Agieren und Enga­ge­ment in ver­schie­dens­ten Struk­tu­ren vom Ehren­amt bis zu Par­teien ermög­li­chen. Die Frei­heit solle kei­nes­falls als Hedo­nis­mus oder zügel­lo­ser Konsum auf­ge­fasst werden, sondern – klas­sisch liberal – die Ent­fal­tung jedes Ein­zel­nen unab­hän­gig von seinem sozia­len Kontext ermög­li­chen. Empha­ti­sches Ein­ste­hen der Politik für demo­kra­ti­sche Werte und Kern­be­griffe wie Men­schen­würde sowie die Erfah­run­gen einer posi­ti­ven Betei­li­gung an demo­kra­ti­schen Pro­zes­sen könne dem Ein­zel­nen helfen, eine gewisse Wider­stands­fä­hig­keit gegen anti­li­be­rale Reflexe zu ent­wi­ckeln, die aus der unver­meid­li­chen Unvoll­kom­men­heit der demo­kra­ti­schen Ordnung resultieren.

Das Podium war sich einig darin, dass allein die soziale Frage oder eine Umver­tei­lungs­de­batte in der Aus­ein­an­der­set­zung mit (Rechts)Extremismus nicht aus­rei­chend sei. Eine uner­müd­li­che Arbeit auf Ebene der Bildung bis zur Par­tei­po­li­tik und das posi­tive Erleb­nis von Demo­kra­tie könne die vor­han­de­nen mas­si­ven „Moder­ni­sie­rungs­schmer­zen“ auf­fan­gen und das Ver­trauen in die frei­heit­li­che Ordnung stärken. Dazu gehöre, Ver­trauen in staat­li­che Insti­tu­tio­nen wieder her­zu­stel­len und indi­vi­du­elle Betei­li­gung an demo­kra­ti­schen Struk­tu­ren zu erleich­tern. Jeder ein­zelne Kontakt zwi­schen Poli­ti­kern und Bürgern sei hierbei entscheidend.


Hier können Sie die ein­zel­nen Podien der Kon­fe­renz als Podcast nach­hö­ren und auch herunterladen:

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