Behauptungen:
„Systempresse“
Pauschale Medienkritik von „alternativer“ Berichterstattung bis „Lügenpresse“
Für „alternative“ Medien ist die Abgrenzung von den etablierten Qualitätsmedien essenziell. Die „Systempresse“ als Gegenpol ist darum ein großes Thema in diesen Medien. Hinter dem Begriff „Systempresse“ verbirgt sich die Unterstellung, etablierte Medien würden willfährig als Sprachrohr der Politik oder gar auf Bestellung berichten und die eigentliche Wahrheit – z. B. angeblich tödliche Folgen der COVID-19-Impfung oder die prinzipielle Dysfunktionalität des demokratischen Systems – verschweigen und so die Bevölkerung manipulieren. Der Vorwurf ist eng verknüpft mit einer pauschalisierenden Abwertung von Politikerinnen und ihrer Arbeit.
Der Vorwurf, Teil eines „Systems“ der Mächtigen zu sein, beinhaltet auch, dass die Presse ihrer Funktion als sogenannte „vierte Gewalt“ zur Kontrolle der Politik nicht nachkomme. Das unterschlägt die politische Vielfalt der Medienlandschaft und die vorhandene kritische Berichterstattung. Die Rede von der „Systempresse“ ist eine undifferenzierte Kritik, die nicht eine bessere Berichterstattung zum Ziel hat, sondern den Medien an sich die Unabhängigkeit abspricht und sie als Instrument bestimmter Interessen verleumdet.
Wenn die etablierten Medien angeblich lügen und verschweigen, heißt das im Umkehrschluss, dass „alternative“ Medien dies nicht tun. Diese beschreiben sich darum häufig als Aufklärer und Verkünder der Wahrheit. Der Vorwurf der „System-Presse“ kann der Selbstvergewisserung dienen, wenn die eigenen Sichtweisen sich in den etablierten Medien kaum wiederfinden. Argumenten, die dem eigenen Weltbild widersprechen, wird nicht inhaltlich widersprochen, sondern dem Überbringer der unliebsamen Botschaft die Glaubwürdigkeit abgesprochen.
Bereits während der Pegida-Demonstrationen wurde der Schmähruf „Lügenpresse“ gegen die etablierten Medien laut. Vielfach wurde darauf hingewiesen, dass bereits die Nationalsozialisten diesen Kampfbegriff zur Diffamierung kritischer Stimmen benutzten. Während der COVID-19-Pandemie wuchs die Medienfeindlichkeit, immer häufiger werden auch Journalistinnen verbal und physisch angegriffen.
Die freie Äußerung verschiedener Meinungen und Positionen wird in Deutschland durch die Meinungs- und Pressefreiheit im deutschen Grundgesetz garantiert. Die Berichterstattung etablierter Medien umfasst eine Vielzahl verschiedener Positionen und folgt journalistischen Standards, etwa der Ausweisung von Quellen und der Nachprüfbarkeit von Fakten. Die Richtigstellung fehlerhafter Berichterstattung kann zum Beispiel von Gerichten durchgesetzt werden. Die meisten etablierten Medien haben sich freiwillig dem Deutschen Presserat und seinem Pressekodex angeschlossen, der Verstöße gegen journalistische Standards rügen kann.
Da die Meinungsfreiheit das höchste Gut auch des Journalismus ist, ist es umso wichtiger, transparente Regeln zu finden, die für alle Medien – on- wie offline – gelten und die auch die Leserschaft nachvollziehen kann. „Nur so können die Konsumentinnen und Konsumenten dieser Medien ein Gefühl dafür entwickeln, wem sie vertrauen können und wem nicht. Das ist die Grundlage für einen differenzierten Diskurs in einer informierten Gesellschaft“, schreibt zum Beispiel die Journalistin Anne Fromm.