Rechte Ökologie
Die Themen Ökologie, Natur- und Umweltschutz gelten im Alltagsverständnis tendenziell als Domänen alternativer oder linksliberaler Milieus. Radikal rechte Gruppierungen opponieren in ihrer Praxis vielfach gegen konkrete umweltpolitische Maßnahmen – wie aktuell bei Fragen des Klimaschutzes, des Windkraftausbaus oder des Artenschutzes beobachtbar. Allerdings gibt es durchaus rechte Traditionen, die dem Schutz der Natur eine hohe Bedeutung zuschreiben und dies aus einer antimodernen Ideologie ableiten.
Schon früh beklagte der Berliner Komponist Ernst Rudorff (1840–1916) die Zerstörung von Landschaften durch den Menschen und die dadurch schrumpfende Artenvielfalt. 1897 veröffentlichte Rudorff das Buch „Heimatschutz“. Das Verlangen nach einem Schutz der Natur ging darin einher mit Naturromantik und einer Skepsis gegenüber der besonders nach der Reichsgründung 1871 einsetzenden Urbanisierung und Industrialisierung, verbunden mit einem konsumkritischen Widerwillen gegen aufdringliche Reklametafeln. Seine Kritik war auch ästhetisch begründet und richtete sich gegen die Entstellung einer ursprünglichen, „anmutigen“ Natur durch „Übergriffe des modernen Materialismus“. Vor der Gründung des „Deutschen Bundes Heimatschutz“ argumentierte Rudorff vehement dagegen, dass auch Frauen und Juden den Gründungsaufruf unterzeichnen durften. Seine Schriften sind durchzogen von völkischer Rhetorik und argumentieren für eine Ablehnung von sowohl kapitalistischem Industrialismus als auch der „roten Internationale“.
Der Mensch ist in der Sichtweise der radikalen Rechten ein Naturwesen und darum prinzipiell den Gesetzen und Trieben unterworfen, die auch in der Tier- und Pflanzenwelt Gültigkeit haben. Alle sozialen Normen müssten darum in Übereinstimmung mit diesen überzeitlichen Invariablen liegen, da sie sonst nicht „lebensrichtig“, sondern utopisch, wirklichkeitsfremd und widernatürlich seien. Arbeiten von Zoologen wie Irenäus Eibl-Eibesfeldt (1928–2018) oder Konrad Lorenz (1903–1989) dienen als Belege für eine biologisch verankerte Fremdenfeindlichkeit und für „Rassen“-Unterschiede beim Menschen. Schon der Schriftsteller Hermann Löns (1866–1914) hatte erklärt, dass „Naturschutz gleichbedeutend mit Rassenschutz“ sei. Die Ablehnung von Migration wird auch biologisch und ökologisch begründet, da Zuwanderer als fremde Eindringlinge angesehen werden, die das natürliche Gleichgewicht des Lebensraumes gefährden würden. In Anschluss an die Evolutionsbiologie Charles Darwins wird zuweilen rationalistisch-aufgeklärt ein „Recht des Stärkeren“ als Naturrecht in menschlichen sozialen Beziehungen behauptet (Sozialdarwinismus). Es wird herangezogen, um den Einsatz von restriktiven bevölkerungspolitischen oder eugenischen Maßnahmen zu begründen. Der Einsatz für den Tierschutz wird teilweise mit antisemitischen Argumenten (etwa im Zuge der Ablehnung des Schächtens) unterlegt.
Der Schutz der Natur dient tendenziell dem Zweck, die dem an seinen Lebensraum gebundenen Menschen passende, „natürliche“ Lebensweise zu protegieren oder wiederherzustellen. Technik‑, Fortschritts‑, Moderne- und Stadtskepsis sind in die rechte Ökologie eingeschrieben und werden in wechselnden Anordnungen artikuliert. In der „Wandervogel“-Bewegung in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts fand jugendliches, naturromantisches Denken eine Resonanz, die in manchen Strömungen auch antidemokratische und rechtsradikale Züge hatte. In einigen Varianten rechten Naturverständnisses wird rassistisch und antisemitisch eine räumliche Verbindung von der Natur mit der Seelenarchitektur der dort eingeborenen Menschen behauptet und daraus für Deutschland eine Ablehnung des „artfremden“ Christentums begründet, die durch eine „arteigene“, meist neuheidnische Spiritualität zu ersetzen sei.
Der von Ernst Rudorff geprägte Begriff des „Heimatschutzes“ ist eine Konstante in der rechten Ökologie. Ihm wohnt ein „ganzheitlicher“ Ansatz inne, der über den Gedanken des Schutzes der Umwelt als Grundlage (auch) menschlichen Lebens hinausweist. Die Akzentuierung „Heimat“ verortet den Menschen in der Natur. Die biologische Umwelt und die in Kulturdenkmälern geronnenen menschlichen Traditionen sind ebenbürtig, gleich schützenswert, bewegen sich in der gleichen Kategorie und sind wieder räumlich miteinander verkoppelt. Im Nationalsozialismus fand dieser Gedankengang in der agrarpolitischen „Blut und Boden“-Programmatik seine Fortsetzung, die auf der völkischen Ideologie, beispielsweise der „Artamanen“, und die Schriften vom „Reichsbauernführer“ und Reichsernährungsminister Walther Darré (1895–1953) zurückging. Das rassistisch definierte deutsche Bauerntum wurde darin romantisiert und idealisiert sowie antisemitisch als sesshaft-natürlicher Gegenentwurf zu einem jüdisch gesetzten Nomadentum präsentiert. Eine zumindest ideelle Wiederverbäuerlichung der Gesellschaft wurde vorgeschlagen, mit imperialistischen Motiven vermengt und die Erschließung neuer Siedlungsgebiete im Osten gefordert („Volk ohne Raum“). In der tatsächlichen agrarpolitischen Praxis des Nationalsozialismus wurde allerdings eine ökonomisch-rationale Industrialisierung der Landwirtschaft betrieben.
Der „Heimatschutz“-Gedanke fand in der Bundesrepublik in der sich neu formierenden Rechten eine Fortsetzung. Organisationen wie der 1960 gegründete „Weltbund zum Schutz des Lebens“ und die 1965 gegründete Kleinpartei „Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher“ machten sich eine ökologische Agenda zu eigen. Einer der Unterzeichner der „Grünen Charta von der Mainau“ 1961 war derweil Alwin Seifert (1890–1972), der schon im Nationalsozialismus Landschaftsarchitekt und Vertreter der biologisch-dynamischen Landwirtschaft gewesen war und seit den 1950er Jahren in führenden Positionen im „Bund Naturschutz in Bayern“ tätig war. In der Frühphase der Grünen versuchten aus dem rechtsradikalen Milieu stammende Personen wie der Ökobauer Baldur Springmann (1912–2003) Einfluss zu nehmen und die Ökologiebewegung politisch nach rechts zu verschieben. Die „Ökologisch-Demokratische Partei“ (ÖDP) gründete sich 1982 als wertkonservative Rechtsabspaltung der Grünen, die jahrelang um eine Abgrenzung zur radikalen Rechten rang.
Das Schlagwort „Heimatschutz“ ist aktuell etwa im Untertitel der rechtsradikalen Zeitschrift „Umwelt & Aktiv“ (gegründet 2007) enthalten. Die Parole „Umweltschutz heißt Heimatschutz“ wird von Gruppen und Parteien wie „Der III. Weg“, der NPD und auch in der AfD verwendet. In Teilen der (politisch insgesamt diversen und meist mit apolitischem Gestus auftretenden) esoterischen Szene sind irrationalistische, romantische Naturverständnisse anzutreffen, die sich teils indirekt, teils direkt auf rechtsradikale Begriffe von Natur und Umwelt beziehen. In einigen ländlichen Regionen der Bundesrepublik wiederum sind ökologisch-völkisch ausgerichtete und an historische Vorläufer anknüpfende Siedlungsprojekte zu finden. Völkisch ausgerichtete Familienverbände, die sich teilweise an den historischen „Artamanen“ orientieren, siedeln etwa in Mecklenburg-Vorpommern, im Wendland oder in der Lüneburger Heide. Seit einigen Jahren gibt es eine Zunahme von Siedlungsprojekten, die der aus Russland stammenden, esoterisch-rechtsradikalen „Anastasia“-Bewegung zuzuordnen sind.